„In allen EU-Mitgliedstaaten beheimatet“

Ausstellungsinstallation “In allen EU-Mitgliedsstaaten beheimatet”. Foto: Dietmar Walser

Es gibt in Europa viele sprachliche und ethnische Minderheiten, zu denen etwa die Samen, Bretonen, Basken, Sorben, Friesen, Sarden, Pavee, Jenischen oder die Roma zählen. Zu den Roma gehören Sinti, Manouches, Kalderasch, Lovara und Aschkali. Mit 10–12 Millionen Menschen insgesamt stellen die Roma die größte Minderheit in Europa dar und sind nach der Europäischen Kommission „in allen EU-Mitgliedstaaten beheimatet“. Allen Klischees entgegen, ist die überwiegende Mehrheit der europäischen Roma sesshaft. Nachdem schätzungsweise Hunderttausende europäische Roma Opfer des NS-Rassenwahns wurden, sind sich die europäischen Staaten heute offiziell ihrer menschenrechtlichen Verpflichtung zum Schutze aller ihrer Minderheiten bewusst. Am 1. Februar 1998 trat ein Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Kraft. 2007 errichtete der Künstler Damian Le Bas (1963–2017) gemeinsam mit seiner Frau Delaine den ersten Roma-Pavillon auf der Biennale in Venedig.

< Damian Le Bas, Gipsyland Europe, Berlin 2017, © Delaine Le Bas

> Abgeschobene Roma am Flughafen Lyon, 2010, © Philippe Desmazes/AFP

Als Maßnahme einer gezielt und vorrangig gegen Roma gerichteten „Sicherheitsoffensive“ lösten im August 2010 französische Sicherheitskräfte 40 nicht bewilligte Roma-Lager auf. 700 Menschen aus Rumänien und Bulgarien wurden gewaltsam abgeschoben, obwohl sie als EU-Bürger das Recht auf Freizügigkeit genießen. Zur Durchführung einer reibungslosen Abschiebung wurden eigene Charterflüge organisiert. Nicht nur der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma sah den Tatbestand der Diskriminierung und Verletzung der Minderheitenrechte gegeben. Französische Intellektuelle wie André Glucksmann schlossen sich an und forderten Freiheit für die „grenzüberschreitenden Wohnwagen“ ein.Der auf seine Herkunft aus einer tunesisch-jüdischen Familie stolze damalige Europaminister Frankreichs, Pierre Lellouche, verteidigte das Vorgehen der Sicherheitskräfte nicht nur, sondern stellte auch die Definition des Prinzips der Freizügigkeit innerhalb der Union zur Disposition. Kritik der EU-Kommission sah er als „Einmischung aus Brüssel“, obgleich das genannte Rahmenübereinkommen des Europarates verletzt worden war. Anderseits kritisierte Lellouche die Europäische Kommission dafür, vor dem europäischen Phänomen eines massiven „Antiziganismus“ die Augen zu verschließen und keine Visionen für eine Verbesserung der Lebenssituation der Roma überall in Europa zu entwickeln.

Yaron Matras (Manchester) über Romanes und das Stereotyp der “Fahrenden”: