1871 wurde der Begriff Naturschutz erstmals in Deutschland verwendet, im selben Jahr wurde einer der Pioniere des deutschen Naturschutzes geboren: Benno Wolf. Ab 1912 zunächst als Richter in Berlin tätig, arbeitete er anfangs ehrenamtlich, ab 1915 hauptamtlich für die Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen. Wolfs Entwürfe für ein Naturschutzgesetz waren wegweisend, so etwa der für das Feld- und Forstordnungsgesetz von 1920, das zum ersten Mal die Möglichkeit schuf, Naturschutzgebiete auszuweisen. Seine zweite Leidenschaft galt der Beforschung von Höhlen. Die Nazis definierten Naturschutz als Volks- und Heimatschutz, an dem Nicht-„Volksgenossen“ keinen Anteil haben könnten. Wolf musste mit der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 aufgrund seiner jüdischen Wurzeln seine Ämter aufgeben. Seine Vorarbeiten fanden anonymisiert in die Formulierung des Reichsnaturschutzgesetzes von 1935 Eingang. Sein für die unterirdische Rüstungsindustrie wichtiges Höhlenarchiv wurde vom SS Ahnenerbe beschlagnahmt. Wolf selbst wurde 1942 ins Getto Theresienstadt deportiert, wo er an den Folgen der unmenschlichen Haftbedingungen starb. Bis zur Anerkennung seiner Leistungen im Bereich des Naturschutzes und der Höhlenforschung sollten Jahrzehnte vergehen.
^ Benno Wolf, ca. 1930, Foto: Franz Mühlhofer © Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher
< Benno Wolf, Das Recht der Naturdenkmalpflege in Deutschland, Berlin 1920
> Karte des Green Belt und Europakarte mit dem „Eisernen Vorhang“, Collage: Atelier Stecher, Götzis; © European Green Belt bzw. Michael Cramer
Die nationalsozialistische Blut-und-Boden-Ideologie im Naturschutz wurde nach 1945 weitertradiert. Nur wenig verbrämt lebt sie in manchen neuen Umweltbewegungen weiter. Doch nicht nur der wieder aktuell gewordene Okkultismus, sondern auch neuer Nationalismus und Militarisierung sind eine Bedrohung für Umwelt- und Naturschutz. In den 1970er-Jahren wurde im Niemandsland des Eisernen Vorhangs eine wachsende Artenvielfalt beobachtet. Aus dem Todesstreifen zwischen Ost und West wurde ein wichtiger ökologischer Lebensraum. So trafen sich bereits am 9. Dezember 1989 Natur- und Umweltschützer an der bayerisch-tschechoslowakischen Grenze und forderten den Schutz des „Grünes Bandes“. 2002 schlossen sich alle Anrainerstaaten des ehemaligen Eisernen Vorhangs an. Als weltweit längster Biotopverbund erstreckt sich der „Green Belt“ über eine Länge von 12.500 km entlang 24 europäischer Staaten, davon 16 EU-Mitglieder, vom norwegischen Eismeer bis zum Schwarzen Meer. Doch seit Beginn des Ukraine-Kriegs droht die lange Grenze zwischen Finnland und Russland wieder zum militärischen Aufmarschgebiet zu werden. Europa trägt Verantwortung dafür, dass Ökologie und soziale Gerechtigkeit für alle, Demokratie, Menschenrechte und Frieden nicht gegeneinander ausgespielt werden können.
Ariel Brunner, im Gespräch mit Felicitas Heimann-Jelinek, über “Die Verantwortung der EU angesichts der ökologischen Krise”, Hohenems, 5. Oktober 2020