Raphael Lemkin: Dem Verbrechen einen Namen geben

von Felicitas Heimann-Jelinek

Europäisches Tagebuch, 24.6.2021: Im August 1941, im Jahr der systematischen Errichtung der nationalsozialistischen Vernichtungslager, reagierte Winston Churchill angesichts des einsetzenden Massenmords an den europäischen Juden verstört mit den Worten: „We are in the presence of a crime without a name“, „wir gewärtigen ein Verbrechen ohne Namen.“ Der Mann, der dem Verbrechen einen Namen geben und für dessen zukünftige Ahndung durch den Internationalen Strafgerichtshof Sorge tragen sollte, wurde heute vor 121 Jahren in einem Dorf in Weißrusslandland geboren, nicht weit von Wilna entfernt: Raphael Lemkin.

An der Universität Lemberg wurde er zum Juristen promoviert. Anlass für seine Studienwahl war die selbstgestellte Frage, warum das türkische Massaker an einer Million armenischer Frauen, Kinder und Männer keine Straftat, die Tötung einer einzelnen Person nach allgemeingültigem Recht aber sehr wohl ein Verbrechen darstelle.

Im Januar 1933 wurde Hitler zum deutschen Reichskanzler ernannt, die Weimarer Republik zerschlagen und eine zentralistische Diktatur eingeführt. Gegner wurden schon ab März in eigens errichteten Lagern interniert. Zu dieser Zeit war Lemkin bereits ein angesehener Anwalt in Warschau, er war bewandert im internationalen Recht und gut vernetzt. Und er ahnte, dass es sich hier nur um den Auftakt zu etwas viel Schlimmerem handelte.

Lemkin erarbeitete einen Vorschlag, der die Vernichtung nationaler, „rassischer“ und religiöser Gruppen international als Verbrechen definieren sollte, und schickte ihn an eine internationale Konferenz. Doch er fand wenig Unterstützung, selbst als der Antisemitismus zur nationalen Politik Deutschlands wurde. Der faschistische Taumel, der einen großen Teil der Welt erfasst hatte, machte viele blind und taub. Als Hitler 1939 in Polen einmarschierte, wusste Lemkin, dass sich seine Ahnungen erfüllen würden.

Er floh aus Warschau, schlug sich zu seinen Eltern durch, nur um sich für immer von ihnen zu verabschieden. Gemeinsam mit 38 weiteren Familienangehörigen wurden sie als Juden von den Nazis ermordet. Ihm selbst gelang die Flucht in die USA, wo ihm ein Freund eine Stelle an der Duke Law School in North Carolina verschaffte.

Raphael Lemkin suchte fieberhaft nach einem Begriff, der dem Verbrechen, das vor den Augen der Welt stattfand, gerecht werden sollte. Der Begriff Massenmord, so argumentierte er, sei für die Ermordung der europäischen Juden nicht adäquat, da er die nationale, ethnische oder religiöse Motivation des Verbrechens nicht inkludiere. Auch Denationalisierung fasse den Tatbestand nicht, da er auf kulturelle, aber nicht unbedingt auf biologische Auslöschung abziele. Seine Überlegungen führten ihn schließlich zu einem Neologismus: Genozid. Das Wort ist zusammengesetzt aus dem altgriechischen genos (Klan, Rasse, Nachkommenschaft, Geschlecht) und dem lateinischen caedere (töten), die deutsche Übersetzung lautet Völkermord. Die Begriffsfindung war jedoch nur die Voraussetzung für das eigentliche Ziel. Lemkin setzte alles daran, dass Genozid als international justiziable Straftat behandelt und verurteilt werden sollte.

Bitter enttäuscht war Lemkin von den Nürnberger Prozessen, in denen wenig geschah, um den Völkermord als internationales Verbrechen zu kodifizieren – und nichts, um ihn in Zukunft zu verhindern. Aber er gab nicht auf, korrespondierte, lobbyierte, formulierte und überarbeitete den Text für eine Völkermordkonvention. Und tatsächlich war er nach unermüdlichem Kampf erfolgreich. Am 9. Dezember 1948 nahm die Organisation der Vereinten Nationen seinen Vorschlag einer Genozid-Konvention an. Wenig später erkrankte Lemkin so schwer, dass er hospitalisiert werden musste. Die Ärzte fanden die Ursache nicht. Er diagnostizierte sich glücklich selbst mit „Genoziditis. Erschöpfung durch die Arbeit an der Völkermordkonvention“.

Der Mann, der dem größten Verbrechen des 20. Jahrhunderts einen Namen gegeben und die Straftat des Genozids völkerrechtlich exakt definiert hat, verstarb 1959 arm und alleine in einer Einzimmerwohnung in New York.

 

Louise Weiss: Die Alterspräsidentin

Europäisches Tagebuch, 26.5.2021: Nach ihr ist heute das Hauptgebäude des europäischen Parlamentes in Straßburg benannt. Heute vor 38 Jahren starb Louise Weiss in Paris.
Geboren wurde sie 1893 in Arras, ihre Eltern – die Mutter jüdisch, der Vater protestantisch – stammten aus dem Elsass. Schon während des ersten Weltkriegs, der zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich nicht zuletzt symbolisch um Elsass-Lothringen gefochten wurde, begann Louise Weiss – als Kriegskrankenschwester arbeitend – unter Pseudonym zu schreiben. Es sollten noch viele Romane, Theaterstücke und politische Schriften folgen, zum Beispiel über die neugegründete Tschechoslowakei, der Weiss auch in privaten Beziehungen besonders zugetan war. Bekannt wurde sie aber auch durch Dokumentarfilme und literarische Berichte von ihren Reisen, die sie nach Japan, China, Indien und Vietnam, nach Kenia und Madagaskar, Alaska und in den Nahen Osten unternahm. Ihre Kunst- und ethnografische Sammlung befindet sich heute im Chateau de Rohan im elsässischen Saverne.
1918 schon gründete sie, gerade einmal 25jährig, die Zeitschrift L’Europe Nouvelle, in der sie für französisch-deutsche Verständigung und die Vereinigung Europas warb. Zu den Autoren gehörten Thomas Mann, Aristide Briand, Gustav Stresemann oder Rudolf Breitscheid. 1930 gründete sie die École de la Paix, ein privates Institut für internationale Beziehungen – dessen Träume 1933 mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland vorerst ausgeträumt waren. 1934 konzentrierte sich Louise Weiss deshalb auf eine andere gesellschaftliche Auseinandersetzung, den Kampf um das Frauenwahlrecht. Gemeinsam mit Cécile Brunsvig gründete sie die Vereinigung La femme nouvelle, ihre Kampagnen sorgten für öffentliches Aufsehen, nicht nur, als sie sich mit anderen Sufragetten in Paris an eine Laterne anketteten. Ihre Klage vor dem französischen Staatsrat, dem Conseil d’Etat blieb erfolglos. Es sollte noch zehn Jahre dauern, bis in Frankreich das Frauenwahlrecht eingeführt wurde. Zu dieser Zeit war Louise Weiss in der Resistance gegen die nationalsozialistischen Besatzer und das französische Vichy Regime aktiv. 1945 begründete sie mit Gaston Bouthoul ein Institut für Kriegs- und Konfliktforschung in London. Eine Aufnahme in die Académie Francaise wurde ihr noch 1975 verweigert. Erst 1980 wurde mit Marguerite Yourcenar die erste Frau in diesen bislang Männern vorbehaltenen elitären Zirkel zugelassen.

1979 wurde Louise Weiss bei der ersten Direktwahl des Europaparlaments für die Gaullisten zur französischen Abgeordneten gewählt. Und sie war bis zu ihrem Tod 1983 dessen erste Alterspräsidentin. In den vielen Erinnerungen an die „Gründerväter“ Europas kommt sie seltsamer Weise nicht vor. Aber sie war ja auch kein „Vater“.

Rückblick, 26.5.2020: 20% der Briten glauben, die Juden haben Corona erschaffen, um der britischen Wirtschaft zu schaden und daraus finanzielle Vorteile zu ziehen. Genauer: „Demnach stimmten 5,3 Prozent der Befragten «ein wenig» überein, 6,8 Prozent sagten, sie würden «moderat übereinstimmen», 4,6 Prozent waren weitgehend einverstanden und 2,4 Prozent waren «vollkommen einverstanden» mir der Behauptung, Juden hätten den Virus geschaffen, um die Wirtschaft aus Gründen des finanziellen Profits zum Zusammenbruch zu führen. Rund 80,8 Prozent stimmten überhaupt nicht überein mit dieser Aussage. 40 Prozent glauben, dass der Virus von mächtigen Kreisen vorsätzlich in Umlauf gebracht worden sei, um die Kontrolle auszuüben. 20 Prozent sind zumindest irgendwie der Ansicht, der ganze Virus sei ein schlechter Witz.“ (Quelle: tachles)

 

Hersch Lauterpacht und die Menschenrechtskonvention

von Felicitas Heimann-Jelinek

Bereits der griechische Stoiker Zenon (336-270 v.u.Z.) postulierte, dass alle Menschen allein durch ihr Menschsein gleich seien. In der Praxis spielte diese theoretische Erkenntnis allerdings keine Rolle. Ihre Reflexion blieb die längste Zeit den Philosophen überlassen. Erst mit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung fanden die Menschenrechte Eingang in ein politisches Format. Diese Rechte machten allerdings vor der indigenen Bevölkerung und vor den Versklavten halt. Auf dem europäischen Kontinent machte die Französische Revolution die Menschenrechte zum politischen Konzept. Und die französische Verfassung von 1791 schloss sogar Juden ein – allerdings noch lange keine Frauen. Für Menschen außerhalb des europäischen Kontinents galten diese Rechte selbstredend nicht.

Es sollte bis zum 10. Dezember 1948 dauern, bis die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde. Und erst am 3. September 1953 wurde die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert.

Nicht alle Zuständigen sahen die Notwendigkeit einer juristischen Befassung mit Völkerrecht, Menschenrecht, Schuld und Verantwortung 1945 ein. Fritz Bauers in eben jenem Jahr erschienene Arbeit „Die Kriegsverbrecher vor Gericht“, in der er „eine Lektion im geltenden Völkerrecht“ für die Deutschen forderte, stieß zumindest in den Tätergesellschaften auf taube Ohren. Und doch entsprangen Ausarbeitung und Beschlussfassung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der direkten Reaktion auf die Gräuel, die im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg insbesondere an Zivilisten und insbesondere an den europäischen Juden und anderen Minderheiten begangen worden waren. Eine nicht unbedeutende Rolle bei der Entwicklung eines universalen Menschenrechtscodes spielte Hersch Lauterpacht.

Lauterpacht, 1897 im heute ukrainischen Schowkwa gebürtig, studierte bei dem Staatsrechtler und Rechtsphilosophen Hans Kelsen in Wien, danach an der renommierten London School of Economics. Von 1938 bis 1955 hatte er den Lehrstuhl für Internationales Recht in Cambridge inne, 1951 bis 1954 war er Mitglied der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen, und 1955 bis zu seinem Tod 1960 war er Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag.

Als junger Mensch hatte Hersch Lauterpacht die Katastrophen des Ersten Weltkriegs erfahren. Sie waren Auslöser für seine lebenslange Beschäftigung mit dem Völkerrecht sowie mit den Menschenrechten. Die elterliche Familie des Ehemanns und Vaters Hersch Lauterpacht war im altösterreichischen Lemberg ermordet worden. Dies mag seinen Fokus auf den Status des Individuums im Völkerrecht und auf die Frage nach der Verhältnismäßigkeit nationalstaatlicher Oberhoheit begründet haben. In diesem Kontext entwickelte Lauterpacht die Terminologie „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zur Fassung der ungeheuren Gräuel an Zivilpersonen, eine Formulierung, mit der das Völkerrecht eine entscheidende Erweiterung erfuhr. In den Nürnberger Prozessen legitimierte sie die strafrechtliche Anklage und Verurteilung der Aktionen der Nazis gegen Millionen ziviler Bürger*innen. Die Definition lautete: „Mord, Ausrottung, Versklavung, Deportation oder andere unmenschliche Handlungen, begangen an jedweder Zivilbevölkerung vor oder während des Krieges; Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen, begangen in Ausführung eines Verbrechens oder in Verbindung mit einem Verbrechen, für das der Gerichtshof zuständig ist, und zwar unabhängig davon, ob die Handlung gegen das Recht des Landes verstieß, in dem sie begangen wurde, oder nicht.“ Der Schutz des Einzelnen vor dem Staat kann seitdem auch in der EU eingefordert werden. Juristisch dafür zuständig ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.

Auf übereuropäischer Ebene ist der Internationale Gerichtshof in Den Haag für völkerrechtliche Fragen und Verfahren zuständig. Als der maßgeblich an der Erarbeitung der europäischen wie der internationalen Menschenrechtskonvention Beteiligte Hersch Lauterpacht 1954 von britischer Seite als Richter an diesen entsendet werden sollte, wurden Stimmen laut, die diese Entscheidung mit dem Argument kritisierten, der renommierte Völkerrechtler sei für dieses Amt nicht „britisch“ genug, worüber sowohl seine Herkunft als auch sein Name ja eindeutig Auskunft gebe.

Am 8. Mai 1960, fünfzehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, starb Hersch Lauterpacht in London.

Hilde Meisel – Hilda Olday – Hilda Monte: The Unity of Europe

Europäisches Tagebuch, 17.4.2021: Heute vor 76 Jahren wurde Hilda Monte in der Nähe des Grenzübergangs Tisis, zwischen Feldkirch und Liechtenstein von einem Grenzbeamten erschossen.
Unter dem Namen Hilde Meisel wurde sie am 31. Juli 1914 in Wien geboren. 1915 zog ihre Familie nach Berlin, wo ihr Vater ein Import-Export Geschäft führte. Schon als Jugendliche schloss sie sich dem Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK) an, der 1926 vom Philosophen Leonard Nelson gegründet wurde. 1929 besuchte sie zum ersten Mal England, 1932 ging sie für kurze Zeit nach Paris. Regelmäßig veröffentlichte sie in der ISK-Zeitschrift Der Funke Analysen der politischen und wirtschaftlichen Situation in England, Frankreich und Deutschland, Spanien und den Kolonien.
Die Jahre 1933 und 1934 erlebte sie wieder im Deutschen Reich, bevor sie 1934 nach Paris und 1936 nach London emigrierte. Mehrere Male reiste sie auch danach illegal ins Deutsche Reich und half dabei, Aktionen des Arbeiterwiderstands zu organisieren. 1938 ging sie, um ihre Ausweisung aus England zu verhindern, eine Scheinehe mit dem deutsch-britischen Karikaturisten John Olday ein und wurde dadurch britische Staatsbürgerin.

Auch während des Krieges blieb sie im Widerstand aktiv, sei es als Kurierin der Internationalen Transportarbeiter-Föderation oder im Auftrag alliierter Geheimdienste. 1940 erschien ihr gemeinsam mit Fritz Eberhard verfasstes Buch How to conquer Hitler. Sie war am Aufbau des Radiosenders „Europäische Revolution“ beteiligt und arbeitete für die deutschen Arbeiter-Sendungen der BBC. 1942 berichtete sie im Radio auch über die begonnene Massenvernichtung der Juden im besetzten Polen. Daneben schrieb sie Gedichte – und arbeitete an ihrem Roman Where Freedom Perished, der erst 1947 erscheinen sollte.

1943 erschien in London ihr Buch The Unity of Europe, in dem sie eine Vision für ein vereintes sozialistisches Europa mit gemeinsamen Institutionen, als politisch unabhängige revolutionäre Kraft zwischen den USA und der Sowjetunion entwickelte.  1944 ließ sie sich zusammen mit Anna Beyer, einer ISK-Kameradin, im Auftrag des britischen und amerikanischen Geheimdienstes und österreichischer Sozialisten im besetzten Frankreich mit dem Fallschirm abwerfen, um Kontakte zur Resistance zu knüpfen. Bald darauf holten René und Hanna Bertholet sie in die Schweiz, ins Tessin und nach Zürich, wo sie mit sozialistischen Emigranten gemeinsam Pläne für die Zeit nach der Befreiung entwarfen – und Hilda Monte davon träumte in China Genossenschaften aufzubauen und alternative Wirtschaftsformen zu studieren, während sie in Mußestunden Tonskulpturen anfertigte.

Im April 1945 meldete sie sich erneut für einen heiklen Auftrag. Von Zürich aus ging sie illegal über die Grenze, um Kontakt mit Sozialisten in Vorarlberg herzustellen, mit einem Fragebogen im Kopf, der das Verhältnis verschiedener Widerstandsgruppen zu einander und die politischen Perspektiven in Vorarlberg nach der Befreiung ausloten sollte. Vermutlich sollte sie auch die Möglichkeiten ausloten, sozialistische Emigranten ins Reich zu schleusen, um den politischen Neuanfang nach der Befreiung vorzubereiten.
Auf dem Rückweg von Feldkirch nach Liechtenstein wurde sie am 17. April 1945 in der Nacht an der Grenze von einer Grenzwache aufgegriffen und im Zollamt Tisis festgehalten. Beim Versuch, in den Morgenstunden zu fliehen, wurde sie angeschossen und verblutete an Ort und Stelle.
Ihre gefälschten Papiere wiesen sie als Eva Schneider aus Berlin aus: „Kontoristin im Propagandaministerium“. Sie wurde als „vermutlich protestantisch“ auf dem evangelischen Friedhof von Feldkirch beigesetzt. Österreichische Sozialisten setzten auf ihr Grab den Stein mit der Inschrift: „Hier ruht unsere unvergessliche Genossin Hilde Monte-Olday. Geb. 31.7. 1914 in Wien. Gest. 17.4.1945 in Feldkirch. Sie lebte und starb im Dienste der sozialistischen Idee“.
Viele ihrer Genossinnen und Genossen wurden prominente Mitglieder der SPD, wie Susanne Miller und Willi Eichler, der große Teile des Godesberger Programms schrieb, Gründerinnen und Gründer politischer und philosophischer Akademien oder, wie Hanna und René Bertholet, der Europäischen Verlagsanstalt in Hamburg. All dies hat Hilda Monte, geboren am Beginn des ersten Weltkriegs, getötet in den letzten Kriegstagen des zweiten, nicht mehr erlebt.
Heute haben Vertreter der ev. Kirche Feldkirch, des Jüdischen Museums Hohenems und der Sozialdemokratischen Partei Österreichs gemeinsam eine Gedenktafel an ihrem frisch restaurierten Grab enthüllt.

Grab von Hilda Monte

Lucian Brunner: Sprachenstreit und Nationalitätenhader

Europäisches Tagebuch, 15.4.2021: Heute vor 107 Jahren starb der ehemalige Wiener Gemeinderat Lucian Brunner in Wien. Geboren wurde er am 29 September 1850 in Hohenems als Sohn von Marco Brunner und Regina Brettauer. Lucians Vater war wie die meisten seiner Brüder und Cousins in ihrer Jugend nach Triest aufgebrochen um an dem regen Textilhandel zwischen St. Gallen und dem Mittelmeerraum zu partizipieren, mit dem die Familie Brunner ihren steilen ökonomischen Aufstieg begann. Später ging Marco Brunner nach St. Gallen, wo er die Geschäfte der Familie in der Schweiz vertrat und bald auch das „Bankhaus Jakob Brunner“ führte, aus dem später einmal die UBS hervor gehen sollte.
1883 trat auch Lucian Brunner als Kompagnon in die Privatbank seines Vaters in St. Gallen ein. Bald darauf, 1889, ließ Lucian sich mit seiner Frau Malwine Mandel in Wien nieder, wo er sein eigenes Bankgeschäft gründete aber auch als Industrieller und Politiker tätig wurde. Er engagierte sich in einer kleinen liberal ausgerichteten Partei, den „Wiener Demokraten“, für die er von 1896 bis 1901 dem Wiener Gemeinderat angehörte, wie auch als Obmann des „Demokratischen Zentralvereins“ und als Herausgeber der dazugehörigen Zeitung „Volksstimme“. Im Wiener Gemeinderat trat er immer wieder dem antisemitischen Bürgermeister Karl Lueger entgegen, wo er den immer lauter werdenden nationalistischen Parolen widersprach. In der Auseinandersetzung um die Badenische Sprachenverordnung vertrat er gegenüber der aufwallenden Feindseligkeit gegenüber den Tschechen eine mäßigende Position. Er vertrat die Ansicht, dass die deutsche Verkehrssprache nicht mit nationalistischem Ressentiment, sondern aus Vernunftgründen verteidigt werden müsse, ohne die Sprachminderheiten im Reich abzuwerten. „Die Vertretung der Stadt Wien (…) muß sich gegenwärtig halten, daß sie nicht bloß das Zentrum eines Landes ist, welches von einer Nationalität bewohnt ist, sondern von vielen Nationalitäten und es soll daher verhütet werden, daß etwa eine andere Nationalität des Reiches glaube, daß in dieser Resolution eine Spitze, eine Feindseligkeit gegen sie enthalten sei. (…) Es ist ja seit Jahr und Tag bei uns in Österreich üblich, daß man eine Politik der Schlagwörter macht und zu den zügigsten dieser Schlagwörter gehört der Nationalitätenstreit und der Nationalitätenhader. Wenn eine politische Partei nichts mehr anzufangen weiß, dann fängt sie an, Nationalitätenstreitigkeiten hervorzurufen.“ Als im Oktober 1897 Vertreter der tschechischen Minderheit in Wien eine neue Schule für sich forderten, ging er ebenfalls auf Distanz zum nationalen Furor und rief dazu auf Pluralismus zuzulassen – und verweis dabei auf seine eigenen Erfahrungen als Angehöriger der deutschen Minderheit in Triest. Stattdessen wurde er im Gemeinderat als „Jude“ beschimpft. „Gerade der Zwang, mit dem man die Völker Österreichs zum Deutschtum zwingen wollte, hat das Deutschtum geschädigt. (…) Wir wollen das Recht für unsere Minoritäten, deshalb dürfen wir selbst auch nirgends das Recht einer Minorität unterdrücken! Außerdem steht es der großen deutschen Kulturnation nicht gut an, wenn sie sagt, wir fürchten uns vor dieser tschechischen Schule in Favoriten. (…) Ich bin ein Jude, wie Sie ganz richtig sagen, und meine Herren, ich bin froh daß ich einer bin.“

Vollends zum Feindbild der Christlichsozialen wurde er mit seinem Protest gegen eine geplante Kirchenbausubvention der Christlichsozialen Mehrheit. Gegen dieses Bruch mit der Religionsneutralität des Staates reichte Lucian Brunner eine Klage ein, die schließlich vor dem Höchstgericht Erfolg hatte. Damit verteidigte er die verfassungsmäßig garantierte Trennung von Kirche und Staat – und wurde nun zum beliebten Ziel andauernder antisemitischer Angriffe, in Wien wie in Vorarlberg. Lucian Brunners erste Frau, Malwine, starb während dieser Kampagnen, die der Familie Brunner auch persönlich zusetzten.
Mit seiner Heimatgemeinde Hohenems blieb Brunner immer in engem Kontakt. So spendete er beispielsweise für den Bau des Krankenhauses und der Turnhalle namhaften Summen. Mehrfach versuchte er auch in Zusammenarbeit mit Hohenemser Liberalen und der Fabrikantenfamilie Rosenthal Straßenbahnprojekte in Hohenems zu realisieren, die Hohenems mit der Schweizer Eisenbahn jenseits des Rheins oder auch mit Lustenau verbinden sollten. Ein letztes Straßenbahnprojekt, das 1911 den Hohenemser Bahnhof mit der Rosenthalschen Fabrik im Süden der Marktgemeinde verbinden sollte, kam ebenfalls nicht zustande, da die Wirtschaftslage die Firma Rosenthal inzwischen schwer in Mitleidenschaft zog. Auch in Hohenems agitierten die Christlichsozialen inzwischen gegen den „Juden“ Brunner – und gegen die Rosenthals, die die Schule mit italienischen Kindern „vollstopfen“ würden.
Brunner blieb zeitlebens ein Liberaler, auch wenn er am Ende seines Lebens die zionistische Bewegung in Wien unterstützte, wohl aus Enttäuschung über die politische Entwicklung in Österreich. Als er am 15. April 1914 in Wien starb, hinterließ er ein Legat für eine überkonfessionelle Schule in seiner Heimatgemeinde. Der Hohenemser Gemeinderat nahm das Legat nicht an. Eine überkonfessionelle Schule war nicht erwünscht.

Rückblick, 15.4.2020: US-Präsident Trump erklärt, der Höhepunkt der Corona-Pandemie sei überschritten. Und kündigt an, dass die USA ihre Zahlungen an die Weltgesundheitsorganisation WHO einstellen wird. Der deutsche Entwicklungsminister Müller erklärt hingegen, die Zahlungen an die WHO zu erhöhen: „Die WHO muss jetzt gestärkt werden, nicht geschwächt. Inmitten der Pandemie die Mittel zu kürzen, ist der absolut falsche Weg.“
Trump entscheidet außerdem, dass die von der US-Regierung angekündigten „Not-Schecks“ an ca. 70 Millionen Bedürftige in den USA – in Höhe von 1200,- $ – seinen Namen tragen sollen, mitten im beginnenden Wahlkampf. Das hat es in der amerikanischen Geschichte noch nicht gegeben.
Trump droht damit, das Parlament in die Zwangspause zu schicken, mit der Begründung er wolle freie Stellen ohne parlamentarische Beteiligung besetzen. Von der Möglichkeit eine Parlamentspause zu anzuordnen, hat ebenfalls noch nie ein amerikanischer Präsident Gebrauch gemacht. Trump spielt bei einer Pressekonferenz mit zirkulierenden Verschwörungstheorien, z.B. dass der Virus aus einem chinesischen Labor stamme.

EU-Kommissionspräsidentin van der Leyen fordert indessen mehr Gemeinsamkeit der EU-Mitglieder ein: „Ein Mangel an Koordination beim Aufheben der Beschränkungen birgt die Gefahr von negativen Effekten für alle Mitgliedsstaaten und würde wahrscheinlich zu einem Ansteigen der Spannungen unter den Mitgliedsstaaten führen. Es gibt keinen ‘one-size-fits-all’-Ansatz in der Krise, aber die Mitgliedstaaten sollten sich mindestens gegenseitig informieren“, mahnt die EU-Behörde in Brüssel. Van der Leyen kündigt einen Wiederaufbauplan für Europa an, der einen gemeinsamen Fonds beinhalten soll.

Auf den griechischen Inseln werden nach wie vor 40.000 Flüchtlinge unter unmenschlichen Bedingungen in Lagern festgehalten. Heute werden 12 (in Worten ZWÖLF) aus Syrien und Afghanistan stammende Kinder aus Athen nach Luxemburg ausgeflogen. Luxemburg ist damit das erste von elf Ländern, die sich bereit zeigen, einige wenige unbegleitete oder kranke Minderjährige aus den Lagern aufzunehmen. Außer Luxemburg beteiligen sich Deutschland, die Schweiz, Belgien, Bulgarien, Frankreich, Kroatien, Finnland, Irland, Portugal und Litauen an der Rettungsaktion. Am Samstag sollen 58 Kinder nach Deutschland folgen. Die österreichische Bundesregierung weigert sich nach wie vor, dabei zu helfen, obwohl zahlreiche Bürgermeister inzwischen angeboten haben, neue Flüchtlinge aufzunehmen.

Marcus Samuel: Von Muschelsammlern und Öl

Europäisches Tagebuch, 4.4.2021: Die Geschichte so mancher multinationalen Unternehmung beginnt mit Pionieren auf unbekanntem Terrain. Und so manchem Umweg einer Biographie: Heute vor 222 wurde Marcus Samuel geboren.

Von Felicitas Heimann-Jelinek

Seit der Antike übt das Meer einen spezifischen Reiz auf den Menschen aus. Es ist gefährlich und verlockend, es trennt und verbindet, es hat mörderische Kraft und es gibt Nahrung. Besondere und absonderliche Schätze der Meere üben seit jeher eine eigene Faszination auf den Menschen aus. Spektakuläre Meeresfunde waren Objekte fürstlicher Begierden, die in ihren Wunderkammern mit ihrem Besitz ihre Machtphantasien ausleben konnten. In der Moderne treffen Exotik, aber auch Naturwissenschaft auf immer breiteres Interesse. Von literarischen Phantasie-Reisen, Fernweh und realen Urlaubserinnerungen angeregt, kamen vor allem Muscheln als Souvenirs in Mitteleuropa während der „Adria-Ausstellung“, der bedeutendsten maritimen Schau in Wien, auf. Die »Adria-Ausstellung« von 1913 war die letzte große Ausstellung in Österreich vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs und die letzte große Ausstellung der österreichisch-ungarischen Monarchie.[1] Andenken-Muscheln waren schon in der legendären Schau „Venedig in Wien“ im Jahr 1885 Verkaufsschlager gewesen, auf der „Zierwerk und Galanteriegegenstände aus Lava, Corallen, Muscheln und Schildpatt“ angeboten worden waren.[2] Doch schon einige Zeit früher hatte ein Geschäftsmann den Zauber der Weite, der Tiefe und der Ferne, den Muscheln ausstrahlen, geschickt genutzt: Marcus Samuel (4. April 1799 – 24. November 1872).

Bereits 1833 öffnete Marcus Samuel ein Antiquitäten-Geschäft in London – manche nannten es Kolonialwaren Geschäft, andere wiederum sagen, es war eher ein Kuriositäten-Laden. Für letztere Einschätzung spricht die Tatsache, dass Samuel nicht der sephardischen Elite Londons angehörte, vielmehr aus bescheidenen bayerisch-holländischen Migranten-Verhältnissen stammte. Ebenfalls Kuriositäten-Laden-Variante spricht, dass einer seiner frühen Verkaufsschlager eben ein Souvenir-Objekt war, nämlich „knickknack boxes“ mit aufgeklebten Muscheln, die er am Strand von Brighton vertrieb. Wie dem auch sei, Marcus Samuel bot in seinem Geschäft dem naturhistorisch und meeresbiologisch interessierten Publikum auch Meeresmuscheln an, die ihm Seeleute von ihren Fahrten mitbrachten. Das Geschäft florierte derart, dass Marcus Samuel seine Söhne dazu bringen konnte, selber stetig weitere Strecken per Schiff zurückzulegen, um – aus englischer Perspektive – immer ausgefallenere Muscheln zu finden. Mit wachsendem Angebot bzw. wachsender Nachfrage wuchs ein kleine Samuel’sche Flotte heran. Jedes der Schiffe erhielt eine Art Logo, welches jeweils eine andere Muschel war.

Marcus Samuel jun. entdeckte schließlich, dass es außer Muscheln noch Anderes im Meer gab, das sich verwerten ließ: Bodenschätze. Sein Bruder Samuel Samuel realisierte überdies bei einer Fahrt ins Schwarze Meer die Bedeutung des Ölhandels. Und so sattelten die Brüder von Muscheln auf Kerosin und Öl um. Das Geschäft schoss in die Höhe und die Samuels gründeten eine Company, die 1897 unter dem naheliegenden Namen „Shell“ eingetragen wurde. Von den verschiedenen Muscheln wählte man 1904 die Kamm-Muschel oder Pecten als endgültiges Firmen-Logo. 1907 fusionierte die Firma mit der Royal Dutch Company of the Netherlands und die Shell-Gruppe in ihrer heutigen Form entstand.[3]

Marcus Samuel, 1st Viscount Bearsted. London Stereoscopic & Photographic Company, 1902

1902 wurde Marcus Samuel jun. in den Adelsstand eines Baronet erhoben und der zweite jüdische Lord Mayor von London. In Anerkennung seiner Verdienste um die Versorgung des Britischen Königreiches während des Ersten Weltkriegs mit Treibstoff wurde er 1925 schließlich mit dem neu geschaffenen Titel eines Viscount Bearsted geehrt.

Sein Sohn Colonel Walter Horace Samuel, 2nd Viscount Bearsted MC (13. März 1882 – 8. November 1948) war Vorsitzender der Shell Transport and Trading Company. Daneben war er ein engagierter Kunstkenner und –Sammler. Zu seinen Kunstwerken gehörten Werke von Rembrandt, Canaletto, George Stubbs, Hans Holbein dem Jüngeren und Hogarth. Auch war er ein Trustee der National Gallery sowie der Tate Gallery und Vorsitzender der Whitechapel Art Gallery in London.

Sein Haus und seine Sammlung wurden 1948 dem National Trust gestiftet und damit öffentlich gemacht. Er diente im Ersten Weltkrieg, machte aber vor allem im Zweiten Weltkrieg von sich Reden, da er mit dem Secret Intelligence Service (SIS alias MI6) und dann Special Operations Executive (SOE) arbeitete. Als Offizier der Sektion D des SIS war er ab 1939 zunächst an frühen Versuchen beteiligt, Widerstandsnetzwerke in Skandinavien aufzubauen und war dann eine Schlüsselfigur bei den Plänen zur Gründung einer britischen Widerstandsorganisation – dem Home Defence Scheme. Im Sommer 1940 überwachte er die Übertragung eines Teils des SIS-Nachrichtendienstes auf die neuen Hilfseinheiten. Walter Samuel war Mitglied der 1942 gegründeten antizionistischen Jewish Fellowship. Trotzdem setzte er sich in den 1930er Jahren für die Auswanderung von Juden aus Nazi-Deutschland nach Palästina bei Wahrung eines dortigen Friedens ein.[4]

[1] Unter dem höchsten Protektorate Seiner k.u.k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Franz Ferdinand von Österreich-Este. Österr. Adria-Ausstellung Wien 1913. Hrsg. von der Ausstellungs-Kommission. – Wien, 1913.

[2] Norbert Rubey/Peter Schoenwald, Venedig in Wien. Theater- und Vergnügungsstadt der Jahrhundertwende , Wien 1996.

[3] http://www.gilthserano.de/businesswissen/011202.html; http://www.shell.com/home/Framework?siteId=ch-de&FC2=/ch-de/html/iwgen/zzz_lhn.html&FC3=/ch-de/html/iwgen/sitemap.html

[4] https://www.oxforddnb.com/view/10.1093/ref:odnb/9780198614128.001.0001/odnb-9780198614128-e-62461;jsessionid=A80F57D8CA3484776EB356F441160DE9

Von der Freiheit der Andersdenkenden: Rosa Luxemburg

Europäisches Tagebuch, 5.3.2021: Heute vor 150 Jahren wurde die Sozialistin Rosa Luxemburg im polnischen, damals zu Russland gehörenden Zamosc geboren. Als sie zwei Jahre alt war zog ihre Familie nach Warschau. Ein Hüftleiden der dreijährigen wurde irrtümlich als Tuberkulose diagnostiziert und falsch behandelt. Ihr Leben lang würde sie daran leiden, zu Hinken. Mit fünf Jahren wurde sie zu fast einem Jahr Bettruhe verurteilt, lernte autodidaktisch Lesen und Schreiben, blieb kleinwüchsig, und begann mit neun Jahren, deutsche Texte ins Polnische zu übersetzen, Gedichte und Novellen zu schreiben. Über Kaiser Wilhelm, der Warschau besuchte, als sie 13 Jahre alt war, schrieb sie ein polnisches Spottgedicht, in dem es hieß: „Sage deinem listigen Lumpen Bismarck / Tue es für Europa, Kaiser des Westens / Befiehl ihm, daß er die Friedenshose nicht zuschanden macht.“

Rosa wuchs vielsprachig auf, zuhause wurde Polnisch und Deutsch gesprochen, sie sprach Russisch und Französisch, las Englisch, verstand Italienisch, und lernte Latein und Altgriechisch. Schon als 15jährige schloss sie sich revolutionären Kreisen an, einer 1882 gegründeten Gruppe namens „Proletariat“. 1888 flieht sie vor der zaristischen Polizei in die Schweiz.
In Zürich dürfen Frauen gleichberechtigt wie Männer studieren. Der einzige Ort in Europa, wo dies möglich ist. Viele junge, jüdische Frauen aus Osteuropa nutzen diese Chance. Rosa studiert Philosophie, Mathematik, Botanik und Zoologie, dann Völkerrecht und Staatsrecht, Volkswirtschaft, Staatswissenschaft und Geschichte. Bald schließt sie sich der Polnischen Sozialistischen Partei an. Doch entgegen der Parteilinie vertritt sie einen entschiedenen Internationalismus, gründet mit ihrem Lebensgefährten Leo Jogiches und anderen Genossen die polnische Exilzeitung Arbeitersache in Paris und wendet sich gegen den polnischen Nationalismus. Sie wird aus der Partei ausgeschlossen und gründet eine neue Solzialdemokratische Partei, die statt für Polens Unabhängigkeit für demokratische Reformen in Russland eintritt. Ein unabhängiges Polen sei eine Fata Morgana, die das polnische Proletariat nur vom Klassenkampf ablenken würden, so wie auch in anderen Ländern. Fortan wird sie als Jüdin Ziel ständiger antisemitischer Attacken, wird als „jüdisches Auswurf“ beschimpft, deren „teuflisches Zerstörungswerk“ die „Ermordung Polens“ zum Ziel habe.
Ihr Kampf gegen den wachsenden Nationalismus auch in der Arbeiterbewegung brachte sie mit vielen führenden Sozialdemokraten, später auch mit Lenin in heftige Konflikte. Als Jüdin und als Frau schlagen ihr immer wieder entwürdigende Untertöne, auch in Äußerungen von Genossen entgegen. Trotzdem wird sie, ab 1897 in Deutschland lebend, zu einer der Wortführerinnen des linken Flügels der SPD. Den Reformismus lehnt sie ebenso ab wie den autoritären Parteizentralismus Lenins. Immerhin gelingt es ihr, führende westeuropäische Sozialdemokraten zu einer entschiedenen Erklärung gegen den wachsenden Antisemitismus zu bewegen. Auf ihr Judentum möchte sie freilich selbst nicht zurückgeworfen werden.  „Was willst Du mit den speziellen Judenschmerzen? Mir sind die armen Opfer der Gummiplantagen in Putumayo, die Neger in Afrika, mit deren Körper die Europäer Fangball spielen, ebenso nahe.“ Ihr Internationalismus geht über Europa hinaus. „Ich habe keinen Sonderwinkel im Herzen für das Ghetto. Ich fühle mich in der ganzen Welt zu Hause, wo es Wolken und Vögel und Menschentränen gibt.“
Den kommenden Weltkrieg und all die damit verbundenen Bestialitäten, die Katastrophe Europas, sah sie mit großer Klarheit voraus. 1913 hält sie in Frankfurt am 25. September im „Titania“ in der Basaltstraße – wenige Schritte entfernt, von dem Ort an dem ich diese Zeilen schreibe – eine mutige Rede gegen den Krieg, die sie ins Gefängnis bringen würde: „Wenn uns zugemutet wird, die Mordwaffen gegen unsere französischen oder anderen ausländischen Brüder zu erheben, so erklären wir: ‚Nein, das tun wir nicht!‘“ Weniger als ein Jahr später muss sie ernüchtert feststellen, dass auch in den europäischen Arbeiterparteien der Nationalismus alle Vernunft – und alle Träume vom internationalen Klassenbewusstsein – hinweggeschwemmt hatte. Im August 1914 gründete sie mit anderen Kriegsgegnern in der SPD die „Gruppe Internationale“ aus der später die „Spartakusgruppe“ hervorgehen sollte.

Schon im Februar 1914 wurde Luxemburg aufgrund ihrer Frankfurter Rede wegen „Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze und Anordnungen der Obrigkeit“ zu vierzehn Monaten Gefängnis verurteilt. Im Februar 1915 musste sie ihre Haft im Berliner „Weibergefängnis“ antreten. Ihre Briefe aus der Haft gehören zu den bewegendsten Schriften, die sie hinterlassen sollte.

1916 wieder entlassen, wurde sie schon drei Monate später erneut verhaftet. Bis 1918 verbrachte sie schließlich mehr als drei Jahre im Gefängnis. In ihren dort unter dem Pseudonym Junius verfassten Thesen zog sie 1917 eine fatalistische und zugleich trotzige Bilanz: „Der Weltkrieg hat die Resultate der vierzigjährigen Arbeit des europäischen Sozialismus zunichte gemacht.“ Nicht durch eine größere Macht seien die Sozialisten zerstört worden, sie hätten sich selbst „gesprengt“. Die Hauptaufgabe in dieser Situation sei: „das Proletariat aller Länder zu einer lebendigen revolutionären Macht zusammenzufassen, es durch eine starke internationale Organisation mit einheitlicher Auffassung seiner Interessen und Aufgaben, mit einheitlicher Taktik und politischer Aktionsfähigkeit im Frieden wie im Kriege zu dem entscheidenden Faktor des politischen Lebens zu machen, zu dessen Rolle es durch die Geschichte berufen ist“. Und zugleich kritisierte sie die totalitären Tendenzen der russischen Revolution: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenken.“
All das blieb Utopie. Im November 1918 spaltete sich die Arbeiterbewegung und die kurzlebige Räterepublik in Deutschland. Im Bürgerkrieg verbündete sich die Mehrheit der Sozialdemokraten unter Ebert mit Freikorps und kaiserlichen Truppen zur Niederschlagung der schwachen revolutionären Kräfte des Spartakusaufstands.

In diesen Tagen, in denen sich die Ereignisse überschlugen, geriet auch Rosa Luxemburg in scharfen Gegensatz zur Führung der Spartakisten um Karl Liebknecht. Vergeblich warnte sie vor dem aussichtslosen Versuch einer bewaffneten Revolution und forderte, sich demokratischen Wahlen zu stellen. Doch ihre Mahnungen gingen unter. Die letzten Wochen ihres Lebens müssen von Ohnmacht und verzweifeltem Willen geprägt gewesen sein, gegen ihre eigenen Überzeugungen öffentlich in der Zeitung Die rote Fahne an der Revolution festzuhalten – während in den Straßen Berlins zum Mord an ihr und Liebknecht aufgerufen wurde.
Am 15. Januar 1919 wurde sie, am gleichen Tag wie Karl Liebknecht, in Berlin von Soldaten der „Garde-Kavallerie-Schützen-Division“ verhaftet und auf bestialische Weise ermordet. In einem Berliner Nobelhotel, in dem die Miliz ihr Quartier aufgeschlagen hatte, wurde sie gequält, dann zu einem Auto geschleppt. Mit einem Gewehrkolben versuchten ihre Mörder ihr den Kopf einzuschlagen, fuhren die in zwischen ohnmächtige zum Landwehrkanal, schossen ihr unterwegs in den Kopf, umwickelten ihre Leiche mit Stacheldraht und warfen sie ins Wasser. Ende Mai wurden ihre Überreste an einer Schleuse gefunden. Zu ihrer Beerdigung am 13. Juni 1919 kamen Tausende.

Der Heidelberger Sozialdemokrat Julius Gumbel erforschte später die politischen Morde in Deutschland. Er kam auf folgende Zahlen: Von 1918 bis 1922 ermordeten Linke 22 Menschen. Es kam zu 38 Verurteilungen. Die Rechte verübte im selben Zeitraum 354 Morde. Es kam zu 24 Verurteilungen. In 23 Fällen sprachen die Gerichte selbst geständige Täter, die sich offen ihrer Taten brüsteten, frei.

 

Auf einem Turm von Schädeln: Gerald Reitlinger

Europäisches Tagebuch, 2.3.2021: Heute vor 121 Jahren wurde Gerald Reitlinger geboren. Der jüngste Sohn von Albert Reitlinger und Emma Brunner – die aus der gleichnamigen Hohenemser Familie stammte – studierte Kulturwissenschaften in Oxford und Kunst an zwei Akademien in London. 1930 bis 1931 nahm er an einer Ausgrabung im Irak teil, unternahm in Folge mehrere Forschungsreisen in den Iran, die Türkei und nach China und schrieb Bücher über seine Forschungsreisen. 1932 erschien sein Buch A Tower of Skulls. A Journey Through Persia and Turkish Armenia. Daneben war Reitlinger ein begeisterter Sammler syrischer wie persischer Keramik.
Im Zweiten Weltkrieg diente er in der britischen Armee in der Luftabwehr und als Ausbilder.

Portrait Gerald Reitlingers von Christopher Wood aus dem Jahr 1926 (Quelle: Wikipedia)

Doch nach 1945 widmete er sein Leben der Erforschung des Holocaust. 1953 veröffentlichte er in London mit seinem Buch The Final Solution die erste Gesamtdarstellung der Schoa. Betroffen und skeptisch stellt er den nationalen Gedächtnisverlust in Frage, der die ehemaligen Täterländer bald flächendeckend erfasst hatte. Das Münchner Institut für Zeitgeschichte lehnte es ab, Reitlingers Buch zu veröffentlichen. Man wollte sich in der Aufarbeitung des Nationalsozialismus nicht von „außen“ stören lassen. Das Buch erschien schließlich trotzdem auf Deutsch unter dem Titel Endlösung – so wie auch Reitlingers 1956 folgende Studie über The SS. Alibi of a Nation 1922-1945, die vom Verlag freilich einen weniger sarkastischen Titel verpasst bekam, um sie dem deutschen Publikum schmackhaft zu machen: Die SS – Tragödie einer deutschen Epoche. Noch ein drittes Buch über die NS-Verbrechen folgte: The House Built on Sand. The Conflicts of German Policy in Russia 1939–1945 erschien 1960 in London, und unter dem Titel Ein Haus auf Sand gebaut. Hitlers Gewaltpolitik in Russland 1941–1944 auf Deutsch.
Danach kehrte Reitlinger zur Kunst- und Kulturgeschichte zurück. Sein dreibändiges Werk The Economics of Taste (1961-1970) widmet sich der Geschichte des Kunstmarktes von 1760 bis zur Gegenwart.
Seine Sammlung, die kurz vor seinem Tod 1978 durch ein Feuer beschädigt wurde, vermachte er dem Ashmolean Museum in Oxford, wo sie heute die Gerald Reitlinger Gallery bildet.

Hier ein Blick in Buch Endlösung: „Die Leichenschau ist vorbei, aber es ist nicht die Aufgabe dessen, der sie durchgeführt hat, die Schuldigen zu finden oder ein Urteil über sie zu fällen. Trotzdem wird der Leser, der die Geduld hatte, auch nur einem Bruchteil dieses düsteren Berichtes zu folgen, sich Dutzenden Fragen gestellt haben, und einige davon müssen besprochen werden, auch wenn sie nicht beantwortet werden können.
Wieviel wußte der einfache Mann in Deutschland, und bis zu welchem Grade fühlte er, daß dies auch seine Angelegenheit war? Wie war es möglich, daß so viele Hunderte und sogar Tausende schwerarbeitender Beamter aller Dienststufen täglich in ihren Kanzleien den nicht mißzuverstehenden Schriftwechsel über den Rassenmord vorbereiteten, abschrieben oder weiterleiteten? Und wie ist es möglich gewesen, da wir doch sahen, daß jedes Ministerium mit allen andern Ministerien ständig im Kampf lag und daß Hitler niemals wirklich wußte, was dort eigentlich vor sich ging (…), daß nicht ein einziger der rechtschaffenen Männer, die ihre Sprüchlein in Nürnberg aufsagten, einen einzigen aktiven Protest wagte? (…)
Ist die Beseitigung von auserlesenen Opfern etwas, das geradezu in der Natur des übermächtigen modernen ‚demokratischen‘ Staates verborgen liegt? Kann es wieder geschehen, und kann es in andern Ländern geschehen? Es mag lange dauern, bevor wir die Antwort auf diese Fragen kennen, die wie ein roter Faden durch dieses ‚Postmortem‘ über die Endlösung laufen.
Es ist schwer zu glauben, daß es in Deutschland oder im deutschbesetzten Teil Europas einen Menschen gab, der im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war und während der letzten zwei Jahre des Krieges nicht wußte, daß die meisten Juden verschwunden waren, oder nicht irgendwo gehört hätte, daß sie erschossen oder vergast worden sind. Ebensowenig nehme ich an, daß es einen Menschen gab, der nicht einen Freund hatte, der jemanden kannte, der ein Massaker gesehen hatte. Mehr als hundert Millionen Menschen müssen von diesen Dingen gewußt und über sie im Flüsterton mit andern gesprochen haben. (…)
Und je höher der Deutsche stieg, desto größer wurde seine Angst, bis wir schließlich den Fall Heinrich Himmler vor uns haben, der fast durch Zufall zum Haupt des Polizeistaates gemacht wurde und den Hitler gerade deshalb beibehielt, weil er ein von Angst verfolgter Mann war, der denunziert und eingeschüchtert werden konnte. (…) Doch vor der Verschwörung gegen Hitler im Juli 1944 war nicht einmal ein einziger der unbedeutendsten Beamten aus der Kriegszeit abgeführt und erschossen worden. (…) Konnte man von diesen Männern erwarten, daß sie für die Menschenrechte eintreten würden? Wahrscheinlich waren sie nicht grausamer oder gewissenloser als das ganze deutsche Volk oder, genau genommen, die menschliche Rasse überhaupt. (…) Der Deutsche von 1933 war eine Art Karikatur der europäischen Zivilisation, die um so leichtfertiger, habgieriger und unkritischer wurde, je mehr materieller Fortschritt die alten Werte untergrub. (…) Hiob wünschte in seinem Elend, sein Widersacher möge ein Buch schreiben, und sein Gebet wurde erhört, denn es gibt in Wahrheit nichts, das dieser Widersacher nicht zu Papier gebracht hätte. Ich habe fast volle vier Jahre unter diesen Urkunden verbracht und habe ihre Gesellschaft nicht nur düster oder niederdrückend gefunden. Denn auf vielen Seiten huscht und glimmt etwas, ohne das jede Regierung eine Hölle auf Erden wäre – menschliche Fehlbarkeit. (…) Es kann sein, daß mörderisches Rassegefühl unausrottbar in der Natur von Ameisen und Menschen liegt; der Roboterstaat jedoch, der ihm vollen Ausdruck geben würde, kann und wird niemals von Bestand sein.“

Rückblick, 2.3.2020: Der britische Premier Boris Johnson erklärt, “dieses Land ist gut” auf eine Corona-Pandemie vorbereitet. „Wir haben einen Plan, wenn es zu einer Ausbreitung kommt, was wahrscheinlich ist.“

Der Weg nach Mekka und zurück: Leopold Weiss / Muhammad Asad

Europäisches Tagebuch, 20.2.2021: Heute vor 29 Jahren starb Muhammad Asad in Andalusien, dem Sehnsuchtsort des modernen Islam. Am 2. Juli 1900 in Lemberg als Leopold Weiss geboren, übersiedelte er schon bald mit seiner Familie nach Wien. Als Sohn eines Rabbiners erfuhr er eine streng religiöse Erziehung, was ihn jedoch nicht davon abhielt, das Judentum und seine Gesetze zu hinterfragen. Auf der spirituellen Suche nach einer universalistischen Gottheit empfand er das Judentum zunehmend als Stammesreligion, was es ihm immer weiter entfremdete. Ein Ausgangspunkt für seine anhaltende Suche war das „Daodejing“ von Lao-Tse unter dem Titel „Die Bahn und der rechte Weg“, nachgedichtet von Alexander Ular. Im Alter von zweiundzwanzig Jahren machte er gemeinsam mit seiner späteren Frau, der Künstlerin Elsa Schiemann, eine Palästina-Reise, um seinen Onkel Dorian Feigenbaum zu besuchen. Auf dieser Reise wurde seine Faszination für den Orient und den Islam geweckt, dessen Spiritualität er als Gegenentwurf zum Materialismus der „westlichen Welt“ idealisierte. Weitere Reisen folgten, die er als Korrespondent der Frankfurter Zeitung unternahm.

1926 konvertierte er mit Elsa Schiemann und deren Sohn aus erster Ehe in Berlin zum Islam, änderte seinen Namen in Muhammad Asad und unternahm den Haddsch, die Pilgerreise nach Mekka, auf der seine Frau an Malaria verstarb. Asad vertiefte sich in Hamburg in Koranstudien und lebte längere Zeit in Saudi-Arabien, wo er 1930 mit Munira seine zweite Ehe einging. Mit Saudi-Arabiens Gründer, König Ibn-Saud, war er freundschaftlich und als Berater verbunden.

In der NS-Zeit wurden alle Angehörigen Muhammad Asads, die in Europa geblieben waren, ermordet, er selbst war in einem britischen Lager in Indien interniert. Der Philosoph Muhammad Iqbal bat ihn schließlich, an der Gründung Pakistans als muslimischem Staat mitzuarbeiten. Asad verfasste einen Vorschlag für die pakistanische Verfassung, den er 1948 veröffentlichte, der aber nicht angenommen wurde. Gleichwohl erhielt er den ersten pakistanischen Pass und wurde stellvertretender Botschafter des neuen Landes bei den Vereinten Nationen in New York. 1952 ließ er sich von seiner saudi-arabischen Frau scheiden und heiratete die amerikanische Konvertitin Pola „Hamida“, eine einstige Katholikin. Als Botschafter Pakistans trat er zurück und lebte später in der Schweiz, in Marokko, Portugal und ab 1987 in Südspanien.

Asad publizierte viel, bekannt ist er aber vor allem für zwei Werke: zum einen für seine Koran-Übersetzung ins Englische, die noch heute hoch angesehen ist, zum anderen für seine Autobiografie Der Weg nach Mekka, die ein Bestseller wurde. Enttäuscht von den extremistischen und intoleranten Entwicklungen im Islam starb er 1992 in Mijas in Andalusien, seiner letzten Heimat.
Am 14. April 2008 wurde der Platz vor dem Haupteingang der UNO-City in Wien nach ihm Muhammad -Asad-Platz benannt.

“Allah wird schon helfen”. Die Arabistin Hedwig Klein

Europäisches Tagebuch 19.2.2021: Heute vor 110 Jahren wurde Hedwig Klein in Antwerpen geboren. Bald darauf zog die Familie nach Hamburg.
Ihren Vater, den Kaufmann Abraham Wolf Klein, verliert sie mit nicht einmal fünf Jahren. Er stirbt als Soldat an der Ostfront für das Deutsche Reich. Hedwig Klein schreibt sich 1931 an der Universität zum Studium ein. Ihre Wahl: Islamwissenschaft, Semitistisk und englische Philologie. 1937 ist ihre Doktorarbeit geschrieben: die kritische Edition einer arabischen Handschrift über die islamische Frühgeschichte. Doch Juden sind ab dem Frühjahr 1937 nicht mehr zur Doktorprüfung zugelassen.
Hedwig Klein ist hartnäckig, sie überzeugt die Universitätsleitung dazu, eine Ausnahme zuzulassen. Ihre Arbeit wird mit der Bestnote „Ausgezeichnet“ bewertet, ihr Betreuer Arthur Schaade bescheinigt ihr ein „Maß an Fleiß und Scharfsinn, das man manchem älteren Arabisten wünschen würde.“

Hedwig Klein

1938 soll die Arbeit gedruckt werden, auch die Promotionsurkunde ist schon aufgesetzt, doch dann wird das Imprimatur zurückgezogen. Das Verbot, Juden zu promovieren, wird nun mit aller Gründlichkeit durchgesetzt.
Nun plant Hedwig Klein ihre Emigration. Doch es gelingt ihr nicht, ein Visum zu erhalten, weder in Frankreich noch in den USA. Mit Hilfe des Hamburger Wirtschaftsgeographen Carl August Rathjens erhält sie schließlich die Einladung eines Arabisch-Professors in Bombay. Und am 19. August sticht ihr Dampfer von Hamburg aus in See. Zwei Tage später schreibt sie Rathjen eine hoffnungsvolle Postkarte. „Allah wird schon helfen…“
Doch in Antwerpen erhält das Schiff den Befehl zurückzukehren und einen deutschen Hafen anzulaufen. Da ist der deutsche Überfall auf Polen schon in Vorbereitung, und damit der nächste Weltkrieg.

Noch einmal hilft ihr Arthur Schaade. Klein wird dem gerade in die NSDAP eingetretenen Arabisten Hans Wehr empfohlen. Die Reichsregierung, so fordert Wehr, solle sich „die Araber“ zu Verbündeten machen, gegen Frankreich und England, und gegen die Juden in Palästina. Und das Auswärtige Amt wiederum sieht in Hans Wehr den richtigen Mann für die Erarbeitung eines deutsch-arabischen Wörterbuches. Denn das braucht es nun dringend, nicht zuletzt für eine gelungene Übersetzung von „Mein Kampf“ ins Arabische.

Ihre Mitarbeit am deutsch-arabischen Wörterbuch bewahrt Hedwig Klein zunächst vor der Deportation nach Riga im Dezember 1941, die Schaade mit einer Intervention gerade noch verhindern kann. Klein sei unersetzbar.
Doch am 11. Juli 1942 ist es soweit. Der erste Deportationszug, der von Hamburg direkt ins Vernichtungslager Auschwitz führt, bringt auch Hedwig Klein zu ihren Mördern. So, wie auch ihre Schwester, ihre Mutter und ihre Großmutter ermordet werden.

1947 setzt Carl August Rathjen durch, dass Hedwig Kleins Dissertation nun doch gedruckt, und sie in „Abwesenheit“ zum Doktor der Philosophie erklärt wird.
Hans Wehr wird nach dem Krieg als Mitläufer eingestuft und nutzte Kleins Mitarbeit zu seiner Entlastung. Das deutsch-arabische Wörterbuch erscheint 1952. Im Vorwort dankt Wehr einem „Fräulein Dr. H. Klein“ für ihre Mitwirkung. Ohne ein Wort über ihr Ende.
„Der Wehr“ ist bis heute das meistbenutzte deutsch-arabische Wörterbuch, 2011 zuletzt in der 5. Ausgabe erschienen.

Danke an Stefan Buchen, der die Geschichte Hedwig Kleins in seinem Aufsatz auf der Website Quantara.de lebendig schildert.

https://de.qantara.de/inhalt/die-jüdin-hedwig-klein-und-mein-kampf-die-arabistin-die-niemand-kennt

Rückblick, 19.2.2020: Im hessischen Hanau erschießt ein 43jähriger Deutscher neun Menschen mit „ausländischer Herkunft“, in zwei Shishabars und auf offener Straße, und verletzt sechs weitere, zum Teil schwer. Schließlich erschießt er zu Hause seine Mutter und sich selbst. Vor dem Anschlag hat der Täter einen rechtsradikalen Aufruf im Internet verbreitet, der von antisemitischen, islamfeindlichen, frauenfeindlichen und rassistischen Verschwörungstheorien geprägt ist: eine „Botschaft an das gesamte deutsche Volk“.
Der Täter hatte offenbar auch psychische Probleme, was Vertreter der rechten AFD später veranlasst, eine politische Motivierung der Tat in Abrede zu stellen. Josef Schuster, der Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland, erklärt hingegen, es sei „davon auszugehen, dass der Täter bewusst Menschen mit Migrationshintergrund treffen wollte“ und wirft Polizei und Justiz vor, auf dem „rechten Auge eine Sehschwäche“ zu haben. Unter den Opfern des Anschlags sind Deutsche mit türkischem, kurdischem, bosnischem und afghanischem Hintergrund, deutsche und rumänische Roma. Sie alle hat der Täter gezielt attackiert, oder blindwütig durch die Tür einer Shishabar erschossen.

Düsseldorf (Regina Spector zum 41.)

Europäisches Tagebuch, 18.2.2021: Heute vor 41 Jahren wurde in Moskau Regina Spector geboren. als sie neun Jahre alt war emigrierte ihre Familie über Österreich und Italien in die USA. Spector wuchs in der Bronx auf, wurde in klassischer Musik ausgebildet und nahm 2001 ihr erstes, selbstproduziertes Album auf, mit bezaubernden, absurden, eigenwilligen Liedern. Ihr drittes album “Soviet Kitsch” brachte sie mit der Band “The Strokes” zusammen. Aber sie ging weiter ihren eigenen Weg. Hier ein Streifzug durch Europa: “Düsseldorf”

Und hier der Text dazu:

Dusseldorf

In Dusseldorf I met a clown
His nose, it was red
In Gelterkinden I forgot to frown
Then remembered again
In Paris I saw a big fish
Swimming slow in the Seine
It made me hopeful that someday our
Water will be breathable again
In Frankfurt I heard ein zwei drei
Counting cookies and no one was shot
In Berlin stopped by the polizei
For drunk driving and everyone smiled
In Prague I knew I’d been a witch
Burnt alive, a pyre of Soviet kitsch
It made me miss my Moscow mother
It made me miss my New York nothing
In Montpellier I stayed in a chateau
A boy climbed into my bed and he knew no boundaries
And in Amsterdam I got quite crazy
Might have been all the tulips and canals
Or it might have been all that hash, and in
Barcelona, buenos dias, chocolato, le Picasso
And in Brussels, clean-cut hostel
And in London, me and the French existentialistâ?
In Corsica I floated away
All the way to Marseilles
I should have held an afterparty
For all the thoughts I didn’t say
In Dusseldorf I met a dwarf
With bad breath and a really good tan
In Gelterkinden I remembered how to laugh
And I never ever forgot it again?

 

Bruno Kreisky: oder der Mut des Unvollendeten

Europäisches Tagebuch, 22.1.2021: Heute vor 110 Jahren wurde Bruno Kreisky in Wien geboren. Bis heute polarisiert die Erinnerung an den wohl populärsten Bundeskanzler der Republik, ein Kanzler der zugleich alles andere als ein typischer Politiker Österreichs war. Gerade seine politischen Gegner ließen daran keinen Zweifel aufkommen. 1970 kandidierte ÖVP-Bundeskanzler Josef Klaus mit der Parole „Ein echter Österreicher“. Womit, so das Kalkül, über den Juden und Emigranten Kreisky eh schon alles gesagt wäre. Aber Bruno Kreisky führte die SPÖ zur relativen Mehrheit von 48,5 %. Und nach einem auch unter seinen Freunden höchst umstrittenen Zwischenspiel eines Kabinetts mit Duldung durch die FPÖ erreichte die SPÖ dreimal hintereinander mit Kreisky eine absolute Mehrheit. Lang ist‘s her, möchte man sagen.

Bruno Kreisky
Foto: Konrad Rufus Müller / Quelle: Kreisky Forum für Internationalen Dialog

Kreisky hatte keine Skrupel auch mit ehemaligen Nationalsozialisten zusammenzuarbeiten. Und zwar gerade weil er sich nicht sagen lassen wollte: er würde als Jude Politik machen. Kreisky war vor allem eines, ein europäischer Politiker und die eigene Erfahrung von Verfolgung und Exil hatte ihn seinen eigenen österreichischen Patriotismus gelehrt: der darin bestand, kein Nationalist sein zu wollen. Und schon gar kein jüdischer Nationalist.
Das sollte ihn schließlich noch in eine Auseinandersetzung treiben, in der weder sein Gegner noch er selbst irgendwelchen Ruhm ernten konnten. Seine erbitterte Fehde mit dem erzkonservativen Nazi-Jäger Simon Wiesenthal steht bis heute wie ein erratischer Block in der österreichischen Erinnerungslandschaft.
Simon Wiesenthal, dessen gute Beziehungen zur ÖVP kein bisschen vom traditionellen Antisemitismus der Christlichsozialen getrübt war, skandalisierte genüsslich Kreiskys Hemmungslosigkeit, mit „Ehemaligen“, also früheren Nazis zusammenzuarbeiten, ob solchen in der FPÖ oder erst Recht in der SPÖ. Vier der dreizehn Minister von Kreiskys sozialdemokratischem Kabinett 1970 hatten der NSDAP angehört. Und FPÖ-Chef Friedrich Peter, mit dem Kreisky 1975 eine Koalition erwog, war in einer SS-Terroreinheit aktiv gewesen, was Wiesenthal ebenfalls gezielt an die Öffentlichkeit brachte.
Kreiskys darauffolgende untergriffige Ausfälle gegen Wiesenthal („Nazi-Kollaborateur“) sind legendär. Österreich konnte dabei zuschauen, wie zwei Juden sich öffentlich an die Gurgel gingen. Aber hinter dem Streit stand keineswegs nur Kreiskys politisches Kalkül, sich bei Teilen der Wählerschaft anzudienen. Dahinter stand – mehr oder weniger unausgesprochen – die Auseinandersetzung über jüdische Erfahrungen aus denen Wiesenthal und Kreisky diametral entgegengesetzte Schlüsse gezogen hatten.
Kreiskys traumatische Erfahrungen begannen nicht erst 1938 mit dem Nationalsozialismus, sondern im österreichischen Faschismus des Ständestaats. 1936 wurde der junge Sozialist Kreisky zu Kerkerhaft verurteilt. Er hatte allen Grund, den politischen Nachkommen der Austrofaschisten ebenso zu misstrauen, wie den Nationalsozialisten, die ihn 1938 ins Exil trieben. Kreisky überlebte in Schweden und lernte dort auch den aus Deutschland emigrierten Willy Brandt kennen – der Beginn einer lebenslangen Freundschaft.

Kreisky blieb ein passionierter Europäer, dem Zionismus konnte er nichts abgewinnen. Für ihn war es keine Frage, am Aufbau eines demokratischen Österreichs nach 1945 mitzuwirken. Seine vier Kanzlerschaften waren geprägt von Reforminitiativen in der Sozialpolitik wie in der Bildungspolitik, genauso wie im Familien- und Strafrecht – und wie bei so vielen Sozialdemokraten von einem Vertrauen in den technischen Fortschritt, das ihn auch blind sein ließ für die neuen Fragen, die mit der Auseinandersetzung um das Atomkraftwerk Zwentendorf auf die Tagesordnung kamen. Auch die Niederlage bei der Volksabstimmung hinderte ihn jedoch nicht, 1979 zum vierten Mal die Wahlen zu gewinnen.

Während Wiesenthal Israel als „jüdischen Staat“ zum Kern seiner eigenen Identität in Österreich machte, versuchte Kreisky im Nah-Ost Konflikt zu vermitteln. Was ihn in Widersprüche verwickelte. Er pflegte Beziehungen zu arabischen Politikern wie Sadat und Gaddafi, und verhandelte mit Moskau diskret über die Freilassung jüdischer Sowjetbürger, die nach Israel emigrieren wollten.
Was Kreisky am besten beherrschte, war die Kunst, mit der Öffentlichkeit zu spielen. Seine Pressekonferenzen sind unvergessen. Nicht unbedingt, worum es dabei jeweils ging. Aber der Stil war ein neuer. Statt Verlautbarungen gab es Kommunikation.

„Ich lege keinen Wert auf Kränze, die die Nachwelt mir flicht. Ich lege keinen Wert auf Denkmäler. Was ich aber gerne hätte, wäre wenn einmal die Periode, in der ich die politischen Verhältnisse in Österreich beeinflussen konnte, als eine Periode der Einleitung großer Reformen betrachtet wird, die ihre gesellschaftlichen Spuren hinterlassen und eine Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse gebracht haben. Nichts wäre grauslicher als der Gedanke, nur administriert zu haben.“

Vieles von dem, was Kreisky in Gang bringen wollte, wartet noch immer darauf.

Willy Brandt, Weggefährte Kreiskys über fünfzig Jahre, hielt auf dem Wiener Zentralfriedhof die Grabrede für ihn. „Lebewohl, mein lieber, mein schwieriger Freund.“

Heute Abend um 19.00 richtet das Kreisky Forum für Internationalen Dialog in Wien eine Online-Veranstaltung zur Erinnerung an Österreichs schillerndsten Politiker aus, der wie kein anderer auf dem „Mut zum Unvollendeten“ beharrte, gegen jede Doktrin und trotzdem mit Liebe zur Theorie, gegen totalitäre Dogmatik und trotzdem für Veränderung.

Cornelius Obonya liest den Festvortrag von Franz Schuh.

https://www.facebook.com/events/235706531431776/?source=6&ref_notif_type=plan_user_invited&action_history=null

 

Ein Gespräch über die “letzten Europäer”

Das Jahr 2020 geht zu Ende. Trotz aller Widrigkeiten haben wir am 4. Oktober unsere Ausstellung “Die letzten Europäer” eröffnen können. Und werden sie hoffentlich im Januar wieder für das Publikum aufsperren können. Am 22. Oktober hat Helene Maimann auf Österreich 1 in der Sendung “Im Gespräch” 50 Minuten mit Hanno Loewy über die “letzten Europäer” gesprochen. Hier der link (siehe rechte Spalte) zur Aufzeichnung dieser Sendung – als kleines Geschenk zum Jahreswechsel.
Danke an die Kurator*innen der Ausstellung Felicitas Heimann-Jelinek, Michaela Feurstein-Prasser und Hannes Sulzenbacher für die spannende Zusammenarbeit an diesem Projekt.

Aktuelle Ausstellung

Ludwik Lejzer Zamenhof und die Sprache der Menschheit

Europäisches Tagebuch, 15.12.2020: Heute vor 161 Jahren wurde Ludwik Lejzer Zamenhof in Bialystok geboren. Unter dem Pseudonym Doktor Esperanto sollte er 1887 eine Plansprache begründen, die noch heute von Menschen gesprochen und gepflegt wird, die darauf hoffen, dass die Babylonische Sprachverwirrung einst einer vereinigten Menschheit nicht länger im Weg stehen wird.
Eine Hoffnung die heute mehr denn je vergeblich erscheint.

Ludwik Lejzer Zamenhof, 1908

Zamenhof wuchs in einer vielsprachigen Welt auf, einer vielsprachigen Stadt, in der selbstverständlich Polnisch, Russisch, Deutsch und Jiddisch gesprochen wurde. Sein Vater war der jüdischen Aufklärungsbewegung, der Haskala verbunden, verstand sich als Russe und als Atheist. Er arbeitet als Sprachlehrer für Französisch und Deutsch – und wurde russischer Schulinspektor und Zensor. Zamenhofs Mutter hingegen war religiös und sprach Jiddisch. Aus diesem Kosmos voller sich damals noch nicht ausschließender Widersprüche zog Lejzer, der sich bald den nicht-jüdischen Vornamen Ludwik zulegte, seine eigenen Lehren. Zunächst aber studierte er Medizin, erst in Moskau, dann in Warschau, und wurde Augenarzt.
Die Pogrome von 1882 führten den jungen Russen, als der auch er sich zunächst verstand, zur frühen zionistischen Bewegung. Doch das Ziel einer jüdischen Heimstätte im Nahen Osten erschien ihm unrealistisch. Er sah die Zukunft der Juden in einer versöhnten Welt, ohne sprachliche, kulturelle oder religiöse Mauern. Und wurde folgerichtig Internationalist.
Bereits als Kind hatte Zamenhof sich für den Reichtum der Sprachen begeistert, beherrschte selbstverständlich Russisch und Jiddisch, lernte früh Polnisch, Deutsch und Französisch, in der Schule zusätzlich Griechisch, Latein und Englisch. Auch Hebräisch eignete er sich an, sollte er doch später die hebräische Bibel ins Esperanto übersetzen.
Sein eigentlicher Traum aber war eine leicht zu erlernende Weltsprache, in der eine zerstrittene Menschheit zueinander finden sollte. Nicht um ihre „eigene“ Sprachen zu vergessen, sondern um eine gemeinsame Basis zu gewinnen. Schon an seinem 18. Geburtstag sang er mit seinen Freunden ein Lied in der Lingwe Uniwersale.
1887 schließlich veröffentlichte er unter dem Namen Dr. Esperanto seinen endgültigen Entwurf, und begann mit der Herausgabe einer eigenen Zeitschrift, La Esperantisto, von Adressbüchern und Wörterbüchern. Und er arbeitete an einer universalistisch-humanistischen Weltanschauung, die er zunächst Hillelismus (nach dem bedeutenden jüdischen Gelehrten der vorchristlichen Zeit) und schließlich auf Esperanto Homaranismo nannte.
Die Esperanto-Bewegung zählte bald tausende Anhänger in den verschiedensten Ländern Europas. Viele Familien lehrten die Sprache ihren Kindern, so auch die Familie von George Soros in Ungarn. Doch die nationalistische Selbst-Zerfleischung Europas im 1. Weltkrieg konnte seine Bewegung genauso wenig aufhalten, wie die Friedensbewegung.
Den Kriegsbeginn erlebte Zamenhof 1914 in Köln, auf dem Weg von Warschau nach Paris zum 10. Esperanto-Weltkongress. Über die Kriegsjahre zog Zamenhof sich zurück, arbeitete an seiner Übersetzung der hebräischen Bibel ins Esperanto, verfasste ein Denkschrift An die Diplomaten, di er aufrief, bei den kommenden Friedensverhandlungen die Minderheiten nicht zu vergessen, und kämpfte mit seiner Herzkrankheit, die ihn schließlich am 14. April 1917 besiegte. Zamenhof wurde 57 Jahre alt. Auf seinem letzten Weg zum Jüdischen Friedhof in Warschau begleitete ihn eine große Menschenmenge, darunter auch viele seiner armen jüdischen Patienten.

Bis heute gibt es Esperantogruppen in vielen Ländern die zumindest die Erinnerung an Zamenhofs Traum hochhalten. 2017 hatte sogar die Unesco Zamenhofs 100. Todestag in die Liste der offiziellen Gedenktage des Jahres aufgenommen. Der Stadtrat von Bialystok, beherrscht von der rechts-nationalen Partei PIS lehnte es freilich ab, den berühmten „Sohn der Stadt“ mit einem Zamenhof-Jahr zu ehren. Mit einem jüdischen Internationalisten wollten sie sich nun wirklich nicht schmücken.

Für unsere Ausstellung haben wir am 7. Oktober 2020 Yaron Matras, Professor em. für Linguistik an der Universität Manchester über Mehrsprachigkeit und Plansprachen interviewt.

https://youtu.be/U_73kSe_-9A

 

 

Avraham Burg: Stefan Zweig lesen

Europäisches Tagebuch, 1.12.2020: Vor wenigen Tagen feierte das Willy Brandt Center in Jerusalem mit uns und anderen Partnern gemeinsam den Geburtstag von Stefan Zweig. Avraham Burg schilderte seine persönlichen Reflexionen beim wiederholten Lesen von Stefan Zweigs Autobiografie Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers, von einer education sentimentale bis zum Blick in die Gegenwart. Danke an das Willy Brandt Center Jerusalem für die Erlaubnis, Avraham Burgs Überlegungen hier zu teilen.