Angiola Sartorio

Angiola Sartorio: Zigarettenalben-Sammelbild. Jüdisches Museum Hohenems

Angiola Elise Sartorio (1903-1995) war die Tochter von Julie Bonn und dem italienischen Maler Giulio Aristide Sartorio. Ihre Großmutter Elise Bonn, geb. Brunner, eine Schwester der „Triester Brüder“ der ersten Generation, hatte in die Frankfurter Bankiersfamilie Bonn eingeheiratet. Nach der Trennung der Eltern und Jahren in England und Schweden zog Angiola Sartorio zurück nach Deutschland, wo sie die Ideen des modernen Tanzes kennenlernte und in die Kompanie von Kurt Jooss, einem Schüler des einflussreichen Tanztheoretikers Rudolf von Laban, eintrat. Um schließlich eine steile Karriere als Choreographin und Tänzerin zu beginnen. 1933 erarbeitete sie die Choreographien zu Max Reinhardts italienischer Inszenierung des „Sommernachtstraum“ in Florenz. Reinhardts Einladung, mit ihr in die USA zu gehen, schlug sie aber aus. Sie hatte gerade eine eigene Tanzschule in Florenz eröffnet, in der ab 1933 zahlreiche geflüchtete Tänzerinnen und Tänzer aus Deutschland und Österreich Arbeit fanden. 1939 entschloss sich Angiola Sartorio selbst zur Flucht in die USA, zuerst nach New York, dann nach Santa Barbara, wo sie weiterhin Tanz- und Choreographie unterrichtete. Bis zu ihrem Lebensende blieb sie beruflich aktiv und setzte sich für Minderheiten und Bürgerrechte ein.

Moritz Julius Bonn

Moritz Julius Bonn: The Crisis of European Democracy. New Haven 1925 / Die Auflösung des modernen Staates. Berlin 1921. Jüdisches Museum Hohenems

Moritz Julius Bonn wurde am 16. Juni 1873 in Frankfurt am Main geboren, als Sohn des Bankiers Julius Philipp Bonn und Elise Brunner aus Hohenems. Nach Studien in Heidelberg, München, Wien, Freiburg und London, sowie Forschungsaufenthalten in Irland und Südafrika begann seine erfolgreiche Laufbahn als Nationalökonom. In Italien lernte er die Engländerin Theresa Cubitt kennen, die er 1905 in London heiratete, im gleichen Jahr, in dem er sich über die englische Kolonialherrschaft in Irland habilitierte. 1914 bis 1917 lehrte er an verschiedenen Universitäten in den USA.  Als Politikberater nahm er an zahlreichen Nachkriegskonferenzen teil, schrieb über Freihandel und wirtschaftlichen Wiederaufbau, kritische Studien über Kolonialismus und die europäische Demokratie, die er nur in Pluralismus und ethnischer Diversität als überlebensfähig betrachtete. Als Rektor der Handelshochschule in Berlin und Leiter des von ihm gegründeten Instituts für Finanzwesen gehörte er schließlich zu den führenden Wirtschaftsfachleuten der Weimarer Republik. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 musste Bonn emigrieren, zuerst nach Salzburg, dann nach London, und schließlich in die USA, wo er seine Autobiographie Wandering Scholar(deutsch: So macht man Geschichte) begann. Nach dem Krieg ließ er sich endgültig in London nieder, wo er 1965 verstarb.
Moritz Julius Bonn hatte die Sommer seiner Kindheit bei den Großeltern in Hohenems verbracht und hielt auch Kontakt zum Triester Zweig der Familie.

Moritz Julius Bonn, So macht man Geschichte, 1953: Erziehung eines Liberalen und Gottesdienste in Hohenems
Moritz Julius Bonn, So macht man Geschichte, 1953: “Felix Austria” und seine Minderheiten
Moritz Julius Bonn, So macht man Geschichte, 1953: Gedächtnis und Heimkehr aus dem Exil?

 

„In allen EU-Mitgliedstaaten beheimatet“

Ausstellungsinstallation “In allen EU-Mitgliedsstaaten beheimatet”. Foto: Dietmar Walser

Es gibt in Europa viele sprachliche und ethnische Minderheiten, zu denen etwa die Samen, Bretonen, Basken, Sorben, Friesen, Sarden, Pavee, Jenischen oder die Roma zählen. Zu den Roma gehören Sinti, Manouches, Kalderasch, Lovara und Aschkali. Mit 10–12 Millionen Menschen insgesamt stellen die Roma die größte Minderheit in Europa dar und sind nach der Europäischen Kommission „in allen EU-Mitgliedstaaten beheimatet“. Allen Klischees entgegen, ist die überwiegende Mehrheit der europäischen Roma sesshaft. Nachdem schätzungsweise Hunderttausende europäische Roma Opfer des NS-Rassenwahns wurden, sind sich die europäischen Staaten heute offiziell ihrer menschenrechtlichen Verpflichtung zum Schutze aller ihrer Minderheiten bewusst. Am 1. Februar 1998 trat ein Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Kraft. 2007 errichtete der Künstler Damian Le Bas (1963–2017) gemeinsam mit seiner Frau Delaine den ersten Roma-Pavillon auf der Biennale in Venedig.

< Damian Le Bas, Gipsyland Europe, Berlin 2017, © Delaine Le Bas

> Abgeschobene Roma am Flughafen Lyon, 2010, © Philippe Desmazes/AFP

Als Maßnahme einer gezielt und vorrangig gegen Roma gerichteten „Sicherheitsoffensive“ lösten im August 2010 französische Sicherheitskräfte 40 nicht bewilligte Roma-Lager auf. 700 Menschen aus Rumänien und Bulgarien wurden gewaltsam abgeschoben, obwohl sie als EU-Bürger das Recht auf Freizügigkeit genießen. Zur Durchführung einer reibungslosen Abschiebung wurden eigene Charterflüge organisiert. Nicht nur der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma sah den Tatbestand der Diskriminierung und Verletzung der Minderheitenrechte gegeben. Französische Intellektuelle wie André Glucksmann schlossen sich an und forderten Freiheit für die „grenzüberschreitenden Wohnwagen“ ein.Der auf seine Herkunft aus einer tunesisch-jüdischen Familie stolze damalige Europaminister Frankreichs, Pierre Lellouche, verteidigte das Vorgehen der Sicherheitskräfte nicht nur, sondern stellte auch die Definition des Prinzips der Freizügigkeit innerhalb der Union zur Disposition. Kritik der EU-Kommission sah er als „Einmischung aus Brüssel“, obgleich das genannte Rahmenübereinkommen des Europarates verletzt worden war. Anderseits kritisierte Lellouche die Europäische Kommission dafür, vor dem europäischen Phänomen eines massiven „Antiziganismus“ die Augen zu verschließen und keine Visionen für eine Verbesserung der Lebenssituation der Roma überall in Europa zu entwickeln.

Yaron Matras (Manchester) über Romanes und das Stereotyp der “Fahrenden”: