Solidarität und ihr Gegenteil

Rückblick, 29.6.2020: Der republikanische Gouverneur von Texas bedauert die frühen Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen, wie er in lokalen Fernsehsendern zugibt. Die Infektionszahlen in Texas und anderen Bundesstaaten im Süden und Westen der USA nehmen rasant zu. In Houston, der größten Stadt in Texas, geraten die Intensivstationen nun an die Grenze ihrer Kapazitäten. Auch in Mississippi werden die Intensivbetten knapp. In Texas und Florida werden Bars und Restaurants, aber auch öffentliche Strände teilweise wieder geschlossen, und Teilnehmerzahlen von Veranstaltungen beschränkt. Sogar Vizepräsident Mike Pence sagt Wahlkampfveranstaltungen im Süden ab und fordert nun dazu auf, Masken zu tragen. Bislang machte sich Präsident Trump über das Maskentragen regelmäßig lustig.
Ebenso starke Zuwächse an Neuinfektionen verzeichnet Brasilien. Insgesamt steigt die Zahl der weltweit täglichen Neuinfektionen inzwischen auf 189.000. Seit Beginn der Pandemie zählt die WHO 500.000 Todesfälle.

Eine Online-Benefizveranstaltung brachte am Samstagabend Showstars, Models, Sportler und Politiker zusammen, als Höhepunkt des Spendenmarathons für die Entwicklung eines Corona-Impfstoffes. EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen lud gemeinsam mit der NGO Global Citizen zu einem von Dwayne Johnson moderierten Online-Konzert mit Musikern wie Miley Cyrus, Shakira und Coldplay und Videobotschaften von David Beckham, Naomi Campbell, Angela Merkel und dem Chef der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus. Insgesamt seien inzwischen 15,9 Milliarden Euro an Spenden zusammengekommen. Merkel verlangte, „Impfstoffe, Tests und Medikamente müssen weltweit verfügbar, bezahlbar und zugänglich sein“. Ghebreyesus wies auf Menschen in Slums und Flüchtlingslagern hin, und forderte, „die Ärmsten und Verwundbarsten zu schützen“. Campbell betonte, dass Schwarze derzeit besonders stark unter den Folgen der Corona-Pandemie litten.

In der Europäischen Union gibt es weiter Widerstand gegen solidarisches Handeln. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz lehnt immer noch gemeinsame Corona-Hilfe in Form von Zuschüssen ab. „Wir wollen einen Einstieg in eine dauerhafte Schuldenunion vermeiden und treten daher für eine klare zeitliche Befristung der Nothilfe und für Kredite anstelle von Zuschüssen ein“, verrät er der deutschen Zeitschrift Focus. Die Regierungschefs hätten eine große Verantwortung gegenüber den eigenen Steuerzahlern.