Europäisches Tagebuch, 25.2.2021: Heute vor 122 Jahren starb Paul Julius Reuter, der Begründer der Nachrichtenagentur „Reuters Telegraphic Company“ in Nizza. Geboren wurde Paul Julius Reuter unter dem Namen Israel Beer Josaphat am 21. Juli 1816 in Kassel, wo er als Sohn des aus Witzenhausen stammenden Händler und Rabbiner Samuel Levi Josaphat aufwuchs. Ihn zog es jedoch zur Wissenschaft und Publizistik. In Göttingen lernte er den Mathematiker Carl Friedrich Gauß kennen, der an den Experimenten beteiligt war, die zur Erfindung des elektrischen Telegraphen führten. 1845 konvertierte er in London zum lutherischen Protestantismus, nahm den Namen Paul Julius Reuter an und heiratete in Berlin die Bankierstochter Ida Maria Magnus. Wenig später wurde er Teilhaber eines neuen Verlagshauses mit Buchhandlung, das unter dem Namen „Reuters und Stargardt“ 1848 nicht zuletzt demokratische Schriften publizierte. Nach dem Scheitern der Revolution musste Reuters nach Paris fliehen. Aus „Reuters und Stargardt“ wurde „Stargardt“, bis heute ein führendes Antiquariat in Deutschland.
Doch Reuters blieb seinen Überzeugungen treu und engagierte sich nun auf dem Gebiet der Pressefreiheit und der transnationalen Kommunikation. 1850 gründete er in Aachen eine Nachrichtenagentur, die zunächst zwischen Brüssel und Aachen die Lücke in der Verbindung zwischen Paris und Berlin mit Brieftauben schloss, die deutlich schneller unterwegs waren, als die Postkutsche. 1851 wurde auch diese Verbindung durch Telegraphie ersetzt und schließlich auch Großbritannien mit dem Kontinent verbunden.
Die aus den USA mit dem Schiff eintreffenden Nachrichten, wurden bald von Cork in Irland schneller nach London expediert, als das Schiff selbst dorthin gelangen konnte. Reuters Nachrichtenübermittlung sicherte sich den entscheidenden Zeitvorsprung. Dabei waren nicht zuletzt die Börsenmeldungen im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert. Bald konnte er in allen wichtigen Städten der Welt Korrespondenten einsetzen und seine Aktiengesellschaft Reuters Telegraphic Comp. Incorporated verfügte über ein Nachrichtenmonopol.
1872 erhielt der inzwischen zum Baron geadelte Reuters vom persischen Schah Naser al-Din auch eine Konzession zur wirtschaftlichen Entwicklung Persiens. Dies schloss exklusive Rechte ein, zum Bau von Eisenbahnen und Dämmen, Flussregulierungen und zur Ausbeutung von Bodenschätzen, freilich mit Ausnahme der Gold- und Silberminen. Doch seine ehrgeizigen Pläne scheiterten schon bald am Mangel von Kapital und schon ein Jahr später widerrief der Schah die Konzession, nachdem Russland Protest erhoben hatte. Reuters wurde mit der Konzession für die Gründung der Imperial Bank of Persia entschädigt, die bis zur Gründung der iranischen Zentralbank auch die Funktion einer persischen Notenbank übernahm. Reuters abenteuerliches Leben wurde 1940 von William Dieterle mit Edward G. Robinson in der Hauptrolle verfilmt: „A Dispatch from Reuters“. Die deutsche Fassung, die 1963 ins Fernsehen kam, erhielt den Titel „Ein Mann mit Phantasie“.