Von Erntehelfern und Hausangestellten in Italien – und einem Virus der gerne Auto fährt

Rückblick, 18.8.2020: Im Frühjahr machten Nachrichten die Runde, dass die Ernte in Italien gefährdet sei, weil die Erntehelfer ausbleiben. Zugleich hat deren prekäre Situation in Italien durch die Corona-Pandemie kurzfristig mehr Aufmerksamkeit erfahren.
Bislang haben inzwischen ca. 200’000 Menschen, die bislang schwarz in Italien arbeiten, eine Legalisierung ihrer Beschäftigung beantragt, wie nun das italienische Innenministerium meldete. Die Frist für die Anträge ist am 15.8. abgelaufen. Erwartet war von dem vereinfachten Verfahren vor allem eine Verbesserung der Situation von Erntehelfern, doch die meisten der Anträge betreffen wie jetzt zu erfahren ist vor allem Hausangestellte, z.B. aus Marokko, der Ukraine und aus Bangladesch. Offenbar ist fraglich, ob die Landwirte, die die Anträge für die Erntehelfer hätten unterstützen müssen, überhaupt dazu bereit waren. Hat dies doch auch eine höhere Bezahlung der Ersthelfer zur Folge, die viele Landwirte offenbar scheuen.

Vor zwei Tagen erklärte Bundeskanzler Sebastian Kurz: der Corona-Virus komme mit dem Auto nach Österreich. Vermutlich wollte er eimal wieder über die Balkanroute sprechen. Die offenbar noch nicht dicht genug ist. Gemeint sind aber natürlich Urlauber, nicht zuletzt Menschen die auf dem Westbalkan ihren Heimaturlaub verbringen. Wie auch immer, es mag sein, dass der Virus gerne Auto fährt. Doch 80% der Infektionen in Österreich haben original österreichische Quellen. Die staatliche Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit ARGES studiert die Infektionsquellen sehr genau. Bis zum 9.8.2020 jedenfalls könnte man ca. 80-100 Neuinfektionen auf den Westbalkan zurückführen – von ca. 740 bis ca. 870 in den letzten vier Wochen. Aber Kanzler Kurz lässt keine Gelegenheit aus, um Ressentiments zu schüren. Er macht das sehr professionell.

 

EU-Krisen und “kritische Diskussion”

Rückblick, 30.3.2020: Gestern hat Sebastian Kurz in der Kronenzeitung die EU für die Krise verantwortlich gemacht: „Die EU wird sich nach der Krise eine kritische Diskussion und Auseinandersetzung damit gefallen lassen müssen. Es kann nicht sein, dass wir zwei Wochen lang komplett auf uns allein gestellt darum kämpfen müssen, dass ein Lkw der mit bereits von uns bezahlten und dringend benötigten Schutzmasken an der deutschen Grenze hängt, weiterfahren darf, und gleichzeitig unsere Kontrollen zu Italien kritisiert werden.“ Die Austria Presse Agentur verbreitet die Meldung mit der kritischen Nachfrage, ob Kurz mit “der EU” tatsächlich die EU-Kommission gemeint haben könnte, die doch selbst gar keine Entscheidungen in dieser Sache treffen kann. Oder ob er die verantwortlichen Regierungschefs meinte, also unter anderem sich selber.

Im gleichen Interview der Kronenzeitung wird Sebastian Kurz dafür gefeiert, sich schon mit Corona befasst zu haben, „als die EU derweil mit oberster Priorität noch damit beschäftigt (gewesen sei), die Grenzschließungen der Nationalstaaten zu kritisieren und sich um die minderjährigen Flüchtlinge vor der griechischen Außengrenze zu sorgen“. Gemeint sind wohl die minderjährigen Flüchtlinge innerhalb der griechischen Flüchtlingslager.

In der Kontroverse um mögliche Corona-Bonds sehen Italien und Frankreich Europäische Solidarität gefordert. Österreich, Deutschland und die Niederlande lehnen gemeinsame Anleihen ab.

Das ungarische Parlament verhängt heute mit der Zweidrittelmehrheit der Regierungspartei Fidesz zeitlich unbefristet den Ausnahmezustand, der Ministerpräsident Orban weitgehende Vollmachten einräumt, mit Dekreten zu regieren, ohne das Parlament zu beteiligen. Wahlen und Abstimmungen sind ausgesetzt. Der Generalstaatsanwalt erhält weitreichende Vollmachten. Die „Verbreitung von Fake-News“ wird mit bis zu 5 Jahren Gefängnis bestraft. Dabei denkt Orban offenbar weniger an Corona-Leugner und Verschwörungsphantasien sondern an demokratische Kritiker seiner Politik. Die wenigen Presseorgane, die noch nicht in Regierungshand sind, können damit jederzeit mundtot gemacht werden. Zuvor hat Orban schon angeordnet, dass die Presse bei bestimmten Themen vorher bei der Regierung anfragen, ob das Thema erlaubt ist.

Der österreichische Kanzler wird auf die Demontage der Demokratie in Ungarn angesprochen. Er habe wegen Corona „einfach keine Zeit“ sich mit der Lage in Ungarn zu beschäftigen. Kurz darauf postet er einen Tweet zur Lage in Venezuela.

Die EU-Kommission bemüht sich darum, die Freizügigkeit systemrelevanter Arbeitskräfte innerhalb der EU zu sichern, durch die Verbreitung praktischer Hinweise an die Mitgliedsstaaten. Und sie beschließt zusätzliche Soforthilfen für die Staaten des Westbalkans und Osteuropas in Höhe von 180 Millionen.

Die “Paneuropäische Universität” des Dr. Hokuspokus

Europäisches Tagebuch, 17.1.2021: Der Rücktritt der österreichischen Arbeitsministerin Christine Aschbacher erfolgte nach weniger als einer Woche. Anfang Januar flog auf, dass ihre Diplomarbeit an der Fachhochschule Wiener Neustadt 2006 zu einem großen Teil aus Plagiaten bestand – und dort, wo sie etwas selbst geschrieben hatte, nicht selten aus Nonsens. Auch ihre schon mit Ministerinnenwürden 2020 an der Technischen Universität Bratislava im Fach „Maschinenbau“ eingereichte Dissertation „Entwurf eines Führungsstils für Innovative Unternehmen“ enthält, so stellt der „Plagiatsjäger“ Stefan Weber mit der üblichen Software der Uni Wien fest, über 20 % Abgeschriebenes ohne Nachweis. Und jede Menge Realsatire, die sich von selbst ergibt, wenn man englische Zitate vor Jahren mit dem damals noch ziemlich unbeholfenen „Google-Translate“ übersetzt und seitdem nicht korrigiert hat.

Die Universität in Bratislava und ihre Gutachter, die bislang nicht durch Deutschkenntnisse aufgefallen sind, fühlt sich ganz zu Unrecht am Pranger. Schließlich habe man mit der offiziellen Plagiatssoftware der Slowakischen Hochschulen nur 1,15% Plagiate feststellen können. Diese Software kennt kaum deutschsprachige Quellen. So ist denn der Dr. Bratislava mittlerweile ein geflügeltes Wort.

Frau Aschbacher war sich selbstverständlich keines Verschuldens bewusst, beklagte die „Vorverurteilungen“ und erklärte, sie habe nach „bestem Wissen und Gewissen“ gehandelt. Und dann ging es mit dem Rücktritt doch ganz schnell. „Ihre Familie solle nicht leiden…“ und so weiter. Aber es ist wohl wahrscheinlicher, dass Kanzler Kurz sie aus der Schusslinie nehmen musste, bevor noch unangenehmere Fragen gestellt würden. Zum Beispiel wer eigentlich der Arbeitsministerin den Deal mit der slowakischen Fakultät für „Maschinenbau“ vermittelt hat. Und überhaupt: Fragen danach, wie Österreicherinnen und Österreicher aus Politik und Wirtschaft zu ihren akademischen Titeln kommen, und deren Promotoren zu Ehrungen durch Politik und Wirtschaft. Niemand weiß, wer Frau Aschbacher beraten hat.

Vor wenigen Tagen war im ORF die Stimme eines in solchen Kreisen wohlbekannten Experten zu hören: „Univ.-Prof. Dr.h.c. Dr.“ Peter Linnert, der Ende 2015 von ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer (heute Wirtschaftskammerpräsident) das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse verliehen bekam. Und zwar in seiner Eigenschaft als Rektor der „Goethe Universität Bratislava“.
Die von Linnert gegründete Privatuniversität ist längst Geschichte. Schon einen Tag vor der Ordensverleihung in Wien am 16. Dezember 2015 wurde sie – nach langen öffentlichen Diskussionen über eklatante Missstände – wegen erheblicher „Mängel im Studienprogramm“ von der slowakischen Regierung geschlossen.

Harald Mahrer verleiht Peter Linnert das Ehrenkreuz 1. Klasse, Foto: Willibald Haslinger

Aber das tat der erfolgreichen Tätigkeit des nunmehrigen Ehrenkreuzträgers in Wien keinen Abbruch. Linnert leitet bis heute das 2003 gegründete „Studienzentrum Hohe Warte“ in Wien und die damit verbundene „Sales Manager Akademie“. Das Programm besteht aus der Vermittlung von akademischen Graden an derzeit vier osteuropäischen Privatuniversitäten in Bratislava, Warschau und Belgrad, die mit klangvollen Namen um Kundschaft werben und sich mit “Europa” schmücken.
Für 30.000,- € kann man sich aussuchen, ob man an der „Paneuropäischen Universität Bratislava“, oder an der „European University Belgrad“ promovieren will, in „International Management“, „Ökonomie“ oder „Massenmedien“ zum Beispiel.
Die auf diese Weise erkauften Doktorate mögen in der akademischen Welt nicht zählen. Aber in Wirtschaft und Politik sind sie hilfreich. Die geforderten „wissenschaftlichen Leistungen“, wie die Teilnahme an insgesamt zehn Tagen Seminar, Vorträge in „wissenschaftlichen Tagungen“ und Veröffentlichungen (in der hauseigenen „Zeitschrift“), sind im „Studienzentrum“ Hohe Warte selbst – als gesellige Anlässe – zu absolvieren. Und auch die Promotionsfeiern im Wiener Rathaus machen etwas her. Als der deutschen Sprache grundsätzlich mächtige „Zweitgutachter“ fungieren emeritierte Professoren in Österreich, die sich damit, so Linnert, ein Zubrot verdienen.

Belgrads „European University“ befindet sich im Privatbesitz ihres Rektors, Milija Zečević, der (neben zahlreichen käuflichen Ehrentiteln) auch Präsident der „European Academy of Science“ ist, die an der gleichen Adresse residiert wie Linnerts „Studienzentrum“, der Geweygasse 4 im 19. Wiener Gemeindebezirk. Doch für „akademische Feiern“ mit Partnerorganisationen wie der „Albert Schweitzer International University“ aus Genf (und so schönen Themen wie „Global Business and Management in the Function of Peace“) oder die Ernennung neuer Mitglieder trifft man sich lieber im Hotel Imperial.

Das es solch komplizierter Umwege für die Absolventen des Studienzentrums Hohe Warte bedarf, liegt daran, dass es Linnert trotz seiner Bemühungen um die jüngere Generation von Politiker*innen und Unternehmer*innen bislang nicht gelungen ist, seine Einrichtung in eine „Privatuniversität für Wirtschaft und Ethik“ zu verwandeln. Denn dafür braucht es eine formelle Akkreditierung, und die hat ihm die zuständige Kommission in Österreich schon zum fünften Mal verweigert. Zu Linnerts Leidwesen reden da nicht nur Politiker und Unternehmer mit.

So musste auch seine Tochter Julia 2013 ihre „kommunikationswissenschaftliche“ Dissertation an der Paneuropäischen Universität Bratislava einreichen. Zweitgutachter: Peter Linnert. 2018 wurde auch diese „Dissertation“ von VroniPlag Wiki – manuell – untersucht. Und wie sich zeigte, stellt sie alle Rekorde in den Schatten. Der Text enthält genau 18 Sätze, die nicht abgeschrieben wurden. Ein Plagiatswert von mehr als 98%. Auch Linnerts Sohn Michael, mittlerweile im Imperium der verschiedenen „Sales Management Academies“ der Linnerts beschäftigt, kam auf diesem Weg zu seinem Doktortitel – der einem in Bratislava auch dann nicht aberkannt wird, wenn Plagiate nachgewiesen werden.

Linnert ist keineswegs der einzige Anbieter auf dem Markt. Auch Ghostwriter kann man beschäftigen, oder es mit einer windigen Arbeit an einer „ordentlichen“ österreichischen Hochschule versuchen, wie der steirische ÖVP-Landesrat Christian Buchmann, dessen Dissertation in Graz im Jahr 2000 von zwei Parteifreunden positiv begutachtet wurde, trotz 30% Plagiats. Damals gab es freilich noch keine wirksame Software. 2017 musste Buchmann seinen Doktortitel zwar wieder abgeben, aber das schadete seiner politischen Karriere nicht. Derzeit ist er Präsident des österreichischen Bundesrates.

Linnerts „paneuropäisches“ Titel-Geschäft floriert jedenfalls weiter. Und nur selten wird davon einmal öffentlich geredet. 2014 erwarb z.B. der Steyrer ÖVP-Stadtrat Markus Spöck seinen Doktortitel im Fach „Internationales Management“ über die „Hohe Warte“ an der “European University Belgrad“. Und zur gleichen Zeit erwarb auf diesem Weg auch Christa Kranzl ihre Doktorwürde, nachdem sie an der Hohen Warte schon ihren Master in „Executive Sales Management“ erhalten hatte. Die ehemalige niederösterreichische Landesrätin (zuständig u.a. für Bildung) und kurzzeitige SPÖ-Staatssekretärin (für „Innovation“) unter Kanzler Gusenbauer war 2011 aus der SPÖ ausgeschlossen worden, weil sie in ihrem Heimatort mit einer eigenen Liste gegen die SPÖ angetreten war.
Als Unternehmensberaterin (Spezialgebiet „Förderberatung“) war sie nun im Fortbildungswesen für Unternehmer tätig. 2016 lehrte „Dr. Christa Kranzl“ so zum Beispiel „Regierungspolitik und Parlamentarismus“ an der „Middlesex University/KMU Akademie & Management AG“ in Linz, die offenbar noch weitere illustre Gestalten aus der Grauzone von Scharlatanerie und Business beschäftigte. So lehrte dort auch „Dr.“ Hubert Dollack, Drahtzieher eines anderen europäischen und außereuropäischen Netzwerks, das höchst erfolgreich akademische Titel verkauft.

Ab 2011 nannte Dollack sich Präsident der „University of Northwest-Europe“ in einer ehemaligen Abtei im niederländischen Kerkrade, auch wenn diese „Universität“ formell gar nicht anerkannt war. Schließlich trug sie das „Gütesiegel“ des „Universidad Azteca International Network Systems“, wohinter sich das Vertriebssystem mexikanischer Doktortitel verbirgt. Ihren virtuellen Campus betreibt das „Universidad Azteca European Programme“ in Innsbruck, wo es den umtriebigen Titelverkäufern vor zehn Jahren sogar gelang, eine kurzzeitige Kooperation mit der MedUni Innsbruck einzugehen, bevor diese den Braten roch. Der Dekan der Azteken, ein gewisser „Prof. Dr. Dr. Dr.“ Gerhard Berchtold, ehemaliger Klubdirektor der FPÖ im Innsbrucker Landtag und Wirtschaftskammerfunktionär (Entsorgung, Abfallwirtschaft), vertritt auch die „Universidad Central de Nicaragua“.

Hubert Dollack, promoviert an der TU Ostrava, leitete hingegen auch das inzwischen verblichene „Steinbeis Institute of Operations Management“ in Stuttgart, das „IMC Institut für Management & Consulting“ und das „UNIDI Career College“, eine Nebenstelle der nicht vorhandenen „Universität“ in Kerkrade. Auf den Fluren der ehemaligen Abtei residierten 2015 auch eine obskure „Martin Buber Universität“ (die ebenso vergeblich auf ihre Anerkennung wartete) und eine noch obskurere „European New University“, die Außenstelle der „International Teaching University“ in Tiflis, Georgien. Deren Abschlusszeugnisse wiederum werden vor allem von der „European University“ in Belgrad ausgestellt.

Womit sich so manche Kreise schließen. „Konsul Univ.-Prof. Dr. rer. pol. Dr. habil. Dr. h.c. mult.“ Peter Linnert wird sich wohl bald zur Ruhe setzen. Er blickt, mit seinen 84 Jahren, inzwischen auf ein langes erfolgreiches und manchmal auch weniger erfolgreiches Leben zurück.

Promoviert wurde er tatsächlich 1964 an der Universität Hamburg, und begann seine Laufbahn als Assistent am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre. 1969 wechselte er nach Wien an die Wirtschaftsuniversität. Und dann verliert sich seine „akademische“ Biografie eine Weile im Ungefähren. Erst in den 1990er Jahren klärt sich das Bild wieder und bald sieht man Linnert erneut an der Wirtschaftsuni in Wien, nun als frischgebackenen Ehrendoktor der Universität Vilnius, und als Verantwortlichen für das Seminar Service Management, ein Fortbildungsangebot für Führungskräfte – mit dem er sich 1996 selbständig macht. Die „Sales Manager Akademie“ ist geboren. Und ein teurer, aber bequemer Zugang zum Diplom des „Master of Business Administration“, geliefert von der Universität von Staffordshire in England, das Ganze für 20.440,- €.

Auch als Autor von Büchern für Management und Business zeichnet Linnert regelmäßig mit seinem Namen. Schon 1971 veröffentlichte er seinen „Clausewitz für Manager. Strategie und Taktik der Unternehmensführung“. Es folgten ein Dutzend weiterer Titel, darunter „Alles Event? Erfolg durch Erlebnis-Marketing“, „Größere Markterfolge durch Total Quality Management“ oder „Die Finanzierung der Unternehmungen des Vortrags- und Aufführungswesens“. Sein neuestes Buch, gerade 2019 erschienen, wird auf der Website seines Studienzentrums „besonders empfohlen“: Es heißt kurz und bündig „Wirtschaftskriminalität“.

Warum Linnerts Lebenslauf zwanzig so wenig dokumentierte Jahre enthält, erschließt sich aus einem Bericht der Wochenzeitschrift Der Spiegel aus dem Jahre 1976: „Papiere von St. Pauli“. Damals war das vorerst letzte von Linnerts windigen Geschäften geplatzt, als die Deutsche Bank recht schlampig gefälschte Aktien im Wert von angeblich 2 Millionen DM in Linnerts Depot in Frankfurt fand. Er hatte versucht, die gefälschten Aktien in seinem Depot zu beleihen, um mit diesem Geld sein Firmenimperium zu retten, das vor allem aus Luftnummern bestand. Seine „Vereinigte Zünder- und Kabelwerke AG“ produzierte längst nichts mehr, sondern beschäftigte sich mit Vermögenstransaktionen. In Guatemala plante er den Kauf eines größeren Waldgebietes zur Einrichtung einer „Freihandelszone“. Von der Errichtung eines Marmorwerkes war die Rede und einer Reederei zwecks Transports des Marmors nach Japan. Sein „Marketing Institut Peter Linnert und Co“ knüpfte Netzwerke und vertrieb einen „praxisnahen, aktuellen Beratungsbrief“. Mit seinem Kompagnon Ekkehard Zahn (der auch 50 Jahre später noch an Linnerts „Sales Management Akademien“ beteiligt sein sollte) veranstaltete er exklusive Seminare für Führungskräfte oder solche, die es werden wollten. Doch dann kaufte er auch noch Deutschlands zweitgrößtes Möbelversandhaus, die Steinheimer Möbel-Becker GmbH, die im Mai 1976 Konkurs anmelden musste. Auf der Suche nach Kapital ließ Linnert seine windigen Zünder- und Kabelwerke neue Aktien auflegen, die schon bald nicht mehr das Papier wert waren, auf dem sie gedruckt wurden. Als auch noch die gefälschten Aktien im Frankfurter Depot aufflogen, wurde Linnert in seiner Hamburger Villa an der Elbchaussee 359 verhaftet.
Er hätte die Aktien in Hamburg-St. Pauli gekauft, beteuerte er. Doch da glaubte man ihm in Deutschland jedenfalls wirklich nichts mehr. In der Szene hatte Peter Linnert damals längst seinen Spitznamen erhalten: Dr. Hokuspokus. Das trifft es noch besser als Dr. Bratislava.

https://plagiatsgutachten.com/blog/warum-erhaelt-ein-promotionsberater-das-oesterreichische-ehrenkreuz-fuer-wissenschaft-und-kunst-i-klasse/

https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41119562.html

https://causaschavan.wordpress.com/2016/03/11/huetchenspiele-teil-2-allgemeines-guatemala/

https://causaschavan.wordpress.com/2016/04/04/huetchenspiele-teil-3-sturm-und-drang-in-bratislava/

 

 

Gerald Knaus: “Welche Grenzen brauchen wir? Zwischen Empathie und Angst – Flucht, Migration und die Zukunft von Asyl”

Europäisches Tagebuch, 25.11.2020: Gestern war Gerald Knaus, einer der wichtigsten europäischen Migrationsexperten, bei uns zu Gast. Und sprach über die Mythen und Realitäten der aufgeheizten Kontroverse über Flüchtlinge und Migranten, die versuchen in Europa ein neues Leben zu beginnen. Sein Vortrag und die angeregte Diskussion, die ihm folgte, ist hier nun als Aufzeichnung zu sehen. Wir würden uns freuen, wenn sein Beitrag Gehör finden würde. Argumentationshilfen für humane Grenzen, an denen Menschenrechte und das Bedürfnis nach Sicherheit nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Sein Buch Welche Grenzen brauchen wir? ist gerade im Piper Verlag erschienen und höchst lesenswert!

 

„Kommt ein Vogerl geflogen“

Ausstellungsinstallation “Kommt ein Vogerl geflogen”. Foto: Dietmar Walser

Ein dichtes Kommunikationsnetz macht die Welt zu einem scheinbar überschaubaren Raum, holt internationale Nachrichten in nur wenigen Minuten in unsere Wohnzimmer und erlaubt den Austausch mit Freunden und Familie über Kontinente hinweg.

Einer der Pioniere dieser globalen Kommunikation war Paul Julius Reuter (1816–1899), in Kassel als Sohn eines Rabbiners geboren und 1845 zum Christentum konvertiert. Er erkannte früh die Bedeutung möglichst schneller Nachrichtenübermittlung. Erste Erfahrungen machte er in der ältesten europäischen Nachrichtenagentur, bei Agence Havas in Paris. In jenen Jahren wurden die ersten Telegrafiestrecken eingeweiht, auch zwischen Paris und Berlin, wenn auch noch mit vielen Lücken. Reuter nützte die Gunst der Stunde und investierte zunächst in 45, bald in 200 Brieftauben, mit denen er die Verbindungslücken zwischen Brüssel und Aachen schloss. 1851 ließ sich Reuter in London nieder, wo er im Gebäude der Stock Exchange eine Telegrafie-Station einrichtete und die Börsenneuigkeiten zwischen Paris und London hin- und herschickte. Bald konnte er das Vertrauen der großen Medienhäuser gewinnen, die sich von ihm mit wichtigen Nachrichten aus aller Welt versorgen ließen. Reuter revolutionierte den internationalen Journalismus, indem er neutrale, möglichst objektive Nachrichten zur Verfügung stellte. 

^ Paul Julius Reuter, Kopie eines Gemäldes von Rudolf Lehmann, 1869, © Internationales Zeitungsmuseum Aachen

< Brieftaube, © Bettman, Getty Images

> Vordruck für eine „Freikarte“ für einen Bordellbesuch, © https://www.witzbold.org/bordell-gutschein.html

Die Kehrseite heutiger globaler Kommunikation ist die Produktion von Fake News. Besonders durch die Sozialen Medien verbreiten sich falsche Nachrichten innerhalb weniger Stunden weltweit. Einmal im Netz, ist es kaum mehr möglich, in Umlauf gebrachte Falschmeldungen rückgängig zu machen. Währenddessen gerät seriöser Journalismus auch in einigen EU-Ländern in Gefahr – durch zunehmende Gleichschaltung der Presse, aber auch durch Verunglimpfung und juristische Verfolgung von Journalisten. In Österreich werden vor allem Boulevardzeitungen mit Steuermitteln gefördert, besonders im Krisenjahr 2020.

„Bordellgutscheine“ wie der abgebildete sind seit 1989 im Umlauf. Ursprünglich als Faschingsscherzartikel gedacht – haben sich Varianten dieses Gutscheins im deutschsprachigen Raum rasant verbreitet, heute meist mit dem Zusatz „für Flüchtlinge“. Mit der Veröffentlichung dieser „Gutscheine“ werden bewusst Falschmeldungen über die Flüchtlingspolitik gestreut. Auch wird suggeriert, dass Flüchtlinge ihren Sexualdrang nicht kontrollieren könnten und deshalb von der Regierung Gutscheine für einen gratis Bordellbesuch bekämen, um zu verhindern, dass einheimische Mädchen vergewaltigt würden.

Andrea Petö (Wien) über die Schließung der Central European University durch die Regierung Orban: