Niemals Vergessen!

Ausstellungsinstallation “Niemals Vergessen!”. Foto: Dietmar Walser

Unter dem Imperativ „Niemals vergessen!“ wird versucht, die Erinnerung an die Verbrechen des NS-Regimes und an die Schoa warnend wachzuhalten. Bereits im September 1946 veranstaltete der kommunistische Wiener Kulturstadtrat Viktor Matejka unter diesem Titel im Wiener Künstlerhaus eine große Ausstellung. Organisiert wurde sie vom „Österreichischen Bundesverband ehemals politisch verfolgter Antifaschisten“, der bis 1948 bestehenden Dachorganisation österreichischer NS-Opfer, der sich der „Verband der Abstammungsverfolgten“ angeschlossen hatte. Doch erst im letzten Augenblick wurde der jüdische Auschwitz-Überlebende Heinrich Sussmann (1904–1986) mit einem Plakatentwurf und der Gestaltung des Ausstellungsraumes VI „Judenverfolgung“ beauftragt. Hauptwerbeträger wurde jedoch nicht Sussmanns das KZ-Leid thematisierendes Plakat, sondern Victor Slamas Widerstandskämpfer, der das Hakenkreuz kraftvoll zerstört. Auch darüber hinaus war die Ausstellungsvorbereitung konfliktreich. Die Österreichische Volkspartei wollte die unmittelbare Vorgeschichte der NS-Zeit, die ständestaatliche Diktatur, zu deren Beginn Österreicher auf Österreicher geschossen hatten, nicht thematisiert sehen und beide Großparteien wollten die österreichische Opferthese unterstrichen wissen. Eine Bearbeitung des aktiven Anteils der Österreicher am Judenpogrom und am Judenmord wollte keine Partei.

^ Grabmal der Familie Sussmann am Wiener Zentralfriedhof, Wien 2020, © Oskar Prasser

< Heinrich Sussmann, Plakat zur Ausstellung „Niemals vergessen“, Wien 1946, © ÖNB-Bildarchiv

> Antisemitisches „Spiel“, das Simon Wiesenthal anonym per Post erhielt, o. J., © Archiv des Wiener Wiesenthal Instituts (VWI)

v Simon Wiesenthal, Wien 1988, © Archiv des Wiener Wiesenthal Instituts (VWI)


Zeit seines Lebens forderte der Holocaust-Überlebende Simon Wiesenthal (1908–2005) dazu auf, niemals zu vergessen, dass die Schoa eine der Folgen der Demontage von Demokratie und Menschenrechten war. Über das von ihm gegründete „Dokumentationszentrum des Bundes Jüdischer Verfolgter des Naziregimes“ sammelte und dokumentierte er Nazi-Verbrechen und suchte weltweit nach entkommenen Tätern. Politisch stand Wiesenthal der ÖVP nahe. Sein Protest gegen ehemalige Nazis als Minister in der von der FPÖ unterstützten SPÖ-Minderheitsregierung unter Bruno Kreisky – der sich 1966 selbst von einem ÖVP-Abgeordneten als „Saujud“ hatte beschimpfen lassen müssen – veranlasste den Bundeskanzler zur der bösartigen Unterstellung, Wiesenthal sei ein Nazi-Kollaborateur gewesen. Zwei Österreicher jüdischer Herkunft attackierten einander nun öffentlich, und die Republik schaute zu. Trotz aller Aufklärungsarbeit und aller von Politikern reflexartig vorgebrachten Beteuerungen antifaschistischer Gesinnung war Wiesenthal immer wieder derbem Antisemitismus ausgesetzt. Als ein FPÖ-Bürgermeisterkandidat 1990 in einem Interview wissen ließ: „Dem Simon Wiesenthal hab ich gesagt: Wir bauen schon wieder Öfen, aber nicht für Sie, Herr Wiesenthal – Sie haben im Jörgl seiner Pfeife Platz“, war dies nur die Spitze des Eisbergs.

Aleida Assmann (Konstanz) über Erinnerungskultur in einer Einwanderungsgesellschaft: