Benno Wolf: Von der Höhlenforschung zum Naturschutz

Europäisches Tagebuch, 6.1.2023: Heute vor 80 Jahren stirbt Benno Wolf im KZ Theresienstadt.

von Friedhardt Knolle

1945 endete in Europa ein Unrechtsstaat, der – neben all seinen Menschheitsverbrechen – auch den Einsatz für den Naturschutz auf katastrophale Weise zurückwarf. Mit der Gleichschaltung aller Vereinigungen war ein Klima der Denunzierung und Unterdrückung geschaffen worden, das schon lange vor dem Krieg die freie Forschung mehr oder weniger zum Erliegen brachte. Naturschützer und Forscher, die sich widersetzten oder nicht genehm waren, wurden ausgegrenzt und verfolgt. Dies traf auch einen der Pioniere des Naturschutzes in Deutschland: den Juristen und Höhlenforscher Dr. Benno Wolf.

Benno Wolf
Foto: Franz Mühlhofer, Archiv VdHK

Wolf wurde 1871 in Dresden geboren. Er hatte jüdische Vorfahren, war aber evangelisch getauft. Wolf studierte Jura und kam nach Referendarszeiten im Rheinland und Hessen im Jahre 1912 nach Berlin-Charlottenburg, wo er seitdem als Richter am dortigen Landgericht tätig war. Seine besondere Aufmerksamkeit galt dort dem Naturschutz, denn seine Berufung auf eine der begehrten Stellen in der Reichshauptstadt war auch erfolgt, weil er sich bereit erklärt hatte, neben seiner richterlichen Tätigkeit ehrenamtlich als juristischer Berater bei der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege zu arbeiten. Als am 7. Dezember 1912 in Berlin die fünfte Konferenz für Naturdenkmalpflege in Preußen stattfand, hob Prof. Dr. Hugo Conwentz, seines Zeichens Geheimer Regierungsrat, in seiner Eröffnungsrede dieses Engagement besonders hervor. Schließlich trug das erste preußische Naturschutzgesetz von 1920 in weiten Teilen die Handschrift von Benno Wolf. Auf dessen Grundlage ergingen im Gefolge besondere Verordnungen zum Tier- und Pflanzenschutz und zur Schaffung von Naturschutzgebieten. 1933 kam Benno Wolf seiner drohenden Entlassung durch die neuen Machthaber mit einem freiwilligen Abschiedsgesuch zuvor.

Bereits seit 1898 hatte sich Benno Wolf selbst auch intensiv mit der Höhlenforschung beschäftigt und war rasch dafür bekannt geworden. Er vollbrachte nicht nur für seine Zeit befahrungstechnische Höchstleistungen, z.B. in slowenischen Schachthöhlen, sondern entwickelte sich aufgrund seiner vielen Kontakte zum Nestor der deutschen Höhlenforschung: Wolf vermittelte Experten aus dem In- und Ausland für höhlenkundliche Projekte, beschaffte Geld für Forschungsvorhaben, publizierte einen weltweiten Höhlentierkatalog, redigierte die Hauptverbandszeitschrift bis 1937 und war Nestor sowie langjähriges Vorstandsmitglied des Hauptverbandes Deutscher Höhlenforscher. Um den Verband politisch nicht zu sehr zu exponieren, legte Wolf seine Funktionen jedoch rechtzeitig in andere Hände.

Vor allem besaß Wolf aber eine wertvolle und umfangreiche private höhlenkundliche Bibliothek, die ihm als Grundlage für die Arbeit an einem Welthöhlenverzeichnis diente – einem heute kaum mehr vorstellbaren Projekt. Mit der Untertageverlagerung von Teilen der NS-Rüstungsproduktion weckte dieses Material auch die Begehrlichkeiten der Nazi-Schergen. So schrieben seine Gegner damals, dass man „diesen Wolf endlich von der Bildfläche verschwinden lassen sollte, um seiner Unterlagen habhaft zu werden“.

So wurde Benno Wolf im Juli 1942 als 71jähriger im Berlin von der Gestapo verhaftet und nach Theresienstadt deportiert, wo er infolge der unmenschlichen Haftbedingungen im Januar 1943 starb.

Im Gedenken an den Nestor der deutschen Höhlenforschung und ersten deutschen Höhlenforscher von internationalem Format vergibt der Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher seit 1996 den ideellen Dr.-Benno-Wolf-Preis. Mit diesem werden nicht nur besondere Leistungen im Höhlenschutz und in der Höhlenforschung gewürdigt, sondern es soll auch ein Zeichen gegen Intoleranz und Unfreiheit in der wissenschaftlichen Forschung gesetzt werden.

 

Ökologie und Krise

1871 wurde der Begriff Naturschutz erstmals in Deutschland verwendet, im selben Jahr wurde einer der Pioniere des deutschen Naturschutzes geboren: Benno Wolf. Ab 1912 zunächst als Richter in Berlin tätig, arbeitete er anfangs ehrenamtlich, ab 1915 hauptamtlich für die Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen. Wolfs Entwürfe für ein Naturschutzgesetz waren wegweisend, so etwa der für das Feld- und Forstordnungsgesetz von 1920, das zum ersten Mal die Möglichkeit schuf, Naturschutzgebiete auszuweisen. Seine zweite Leidenschaft galt der Beforschung von Höhlen. Die Nazis definierten Naturschutz als Volks- und Heimatschutz, an dem Nicht-„Volksgenossen“ keinen Anteil haben könnten. Wolf musste mit der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 aufgrund seiner jüdischen Wurzeln seine Ämter aufgeben. Seine Vorarbeiten fanden anonymisiert in die Formulierung des Reichsnaturschutzgesetzes von 1935 Eingang. Sein für die unterirdische Rüstungsindustrie wichtiges Höhlenarchiv wurde vom SS Ahnenerbe beschlagnahmt. Wolf selbst wurde 1942 ins Getto Theresienstadt deportiert, wo er an den Folgen der unmenschlichen Haftbedingungen starb. Bis zur Anerkennung seiner Leistungen im Bereich des Naturschutzes und der Höhlenforschung sollten Jahrzehnte vergehen.

Benno Wolf, ca. 1930, Foto: Franz Mühlhofer © Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher

< Benno Wolf, Das Recht der Naturdenkmalpflege in Deutschland, Berlin 1920

> Karte des Green Belt und Europakarte mit dem „Eisernen Vorhang“, Collage: Atelier Stecher, Götzis; © European Green Belt bzw. Michael Cramer

Die nationalsozialistische Blut-und-Boden-Ideologie im Naturschutz wurde nach 1945 weitertradiert. Nur wenig verbrämt lebt sie in manchen neuen Umweltbewegungen weiter. Doch nicht nur der wieder aktuell gewordene Okkultismus, sondern auch neuer Nationalismus und Militarisierung sind eine Bedrohung für Umwelt- und Naturschutz. In den 1970er-Jahren wurde im Niemandsland des Eisernen Vorhangs eine wachsende Artenvielfalt beobachtet. Aus dem Todesstreifen zwischen Ost und West wurde ein wichtiger ökologischer Lebensraum. So trafen sich bereits am 9. Dezember 1989 Natur- und Umweltschützer an der bayerisch-tschechoslowakischen Grenze und forderten den Schutz des „Grünes Bandes“. 2002 schlossen sich alle Anrainerstaaten des ehemaligen Eisernen Vorhangs an. Als weltweit längster Biotopverbund erstreckt sich der „Green Belt“ über eine Länge von 12.500 km entlang 24 europäischer Staaten, davon 16 EU-Mitglieder, vom norwegischen Eismeer bis zum Schwarzen Meer. Doch seit Beginn des Ukraine-Kriegs droht die lange Grenze zwischen Finnland und Russland wieder zum militärischen Aufmarschgebiet zu werden. Europa trägt Verantwortung dafür, dass Ökologie und soziale Gerechtigkeit für alle, Demokratie, Menschenrechte und Frieden nicht gegeneinander ausgespielt werden können.

Ariel Brunner, im Gespräch mit Felicitas Heimann-Jelinek, über “Die Verantwortung der EU angesichts der ökologischen Krise”, Hohenems, 5. Oktober 2020