Reden über Corona – in China

Europäisches Tagebuch, 3.1.2021: Reden über Corona macht in China noch immer die Behörden nervös. Vor fünf Tagen wurde die chinesische Anwältin und unabhängige Journalistin Zhang Zhan zu vier Jahren Haft verurteilt. Im Februar 2020 war sie von Shanghai nach Wuhan gereist und hat die staatliche Nachrichtensperre über die Ausbreitung der Pandemie unterlaufen. Auf Youtube und Twitter berichtete sie über die Situation in den überfüllten Krankenhäusern und über ununterbrochen auf Hochbetrieb laufende Krematorien, über Menschenrechtsverletzungen und Inhaftierungen andere Journalisten und über Zwangsmaßnahmen gegen Familienangehörige von Opfern, die über ihre Notlage berichten wollten, während die staatlichen Medien die Pandemie schon für „unter Kontrolle“ erklärten. Am 14. Mai 2020 galt sie als vermisst. Kurz zuvor war sie verhaftet worden und wurde zunächst wochenlang ohne Anklage gefangen gehalten.  Offenbar wurde sie gefoltert und 24 Stunden am Tag in Handschellen gehalten, nachdem sie im September in Hungerstreik getreten ist und seitdem mit einer Magensonde zwangsernährt wurde. Ihr Prozess dauerte drei Stunden. Sie ist damit die erste, aufgrund ihrer Berichterstattung über die Covid-19 Pandemie verurteilte Journalistin in China. Andere erwarten noch ihren Prozess. Die Europäische Union verlangt ihre Freilassung.

3.1.2020: Heute wurde Li Wenliang, ein Arzt in Wuhan, zusammen mit sieben Kollegen in der chinesischen Stadt auf eine Polizeistation zitiert und davor gewarnt, weiter „falsche Behauptungen zu verbreiten“ die „die gesellschaftliche Ordnung ernsthaft gestört“ hätten. Sie müssen unter Strafandrohung eine Schweigepflichtserklärung unterschreiben. Li Wenliang hat – angesichts der Serie von Lungenentzündungen im Krankenhaus von Wuhan – vor einigen Tagen in sozialen Netzwerken vor dem neuen Erreger gewarnt, der sich von Mensch zu Mensch verbreiten würde, und Ärzte aufgefordert, Schutzkleidung zu tragen. Die städtische Gesundheitskommission von Wuhan hat Mitteilungen ins Internet gestellt, die alle Krankenhäuser in Wuhan aufforderten, jeden Lungenentzündungspatienten mit unbekannter Ursache, der auf dem Fischmarkt in Wuhan gewesen war, zu melden.

Vor zwei Tagen hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) an ihrem Genfer Hauptsitz eine Erklärung herausgegeben: „Alle Indizien deuten darauf hin, dass der Ausbruch in Verbindung zu Ansteckungen auf einem Fischmarkt in Wuhan steht.“ Es gebe allerdings, so erklärt die WHO, keine klaren Hinweise auf eine Übertragung von Mensch zu Mensch.
Die Wuhaner Gesundheitskommission äußert in einem Interview, dass die Untersuchung der Fälle nicht abgeschlossen sei und dass Experten der Nationalen Gesundheitskommission auf dem Weg nach Wuhan seien, um die Untersuchung zu unterstützen.