Filmabend im Graz Museum | Donnerstag, 10. Juli 2025, 18 Uhr
Anlässlich des 30. Jahrestags des Genozids von Srebrenica lädt das Graz Museum zu einem Filmabend ein.
Gezeigt wird der vielfach ausgezeichnete Spielfilm Quo Vadis, Aida? (Bosnien/Herzegowina 2020, Regie: Jasmila Žbanić), der die Ereignisse vom Juli 1995 aus der Perspektive einer bosniakischen UN-Dolmetscherin erzählt. Der Film basiert auf wahren Begebenheiten und verknüpft historische Genauigkeit mit emotionaler Tiefe. Die Veranstaltung findet im Rahmen des Jahresthemas „Stadt und Demokratie“ und in Verbindung mit der Ausstellung Die letzten Europäer. Jüdische Perspektiven auf die Krisen einer Idee statt. Sie thematisiert europäische Verantwortung, das Versagen internationaler Schutzmechanismen und die Bedeutung eines friedlichen, vielfältigen Miteinanders.
Programm:
17 Uhr: Führung durch die Ausstellung Die letzten Europäer
18 Uhr: Begrüßung durch Sibylle Dienesch (Direktorin, Graz Museum) und Einführung durch Heike Karge (Universität Graz, Leiterin Fachbereich Südosteuropäische Geschichte und Anthropologie)
Film
Quo Vadis, Aida? (Dauer: 100 Minuten, Originalfassung mit deutschen Untertiteln)
Im Anschluss: Austausch im Foyer und Innenhof
Vor vier Jahren erhielt das Jüdische Museum eine umfangreiche Dauerleihgabe: den Nachlass von Carlo Alberto Brunner.
Gemälde, Briefe und Dokumente, Fotos, Memorabilia und Alltagsgegenstände der Hohenemser Familie Brunner ermöglichen den kritischen Blick auf ein europäisches Jahrhundert. Und sie eröffnen das Panorama einer europäisch-jüdischen Familie, die sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Hohenems nach Triest aufmachte, um zu der rasanten Entwicklung der habsburgischen Mittelmeermetropole beizutragen.
Von dort wanderten Mitglieder der Familie weiter nach Wien und in die Schweiz, nach England, Deutschland, und in die USA. Ihr steiler sozialer und kultureller Aufstieg endete in der Katastrophe Europas, in der Verwüstung eines Kontinents in gegenseitigem Hass und in den Verheerungen zweier Weltkriege, die Teile der Familie in alle Welt zerstreute.
Anmeldung erforderlich unter:
T +43(0)5576 73989 | E-Mail: office@jm-hohenems.at
Bei starker Buchung wird die Führung zweimal hintereinander durchgeführt.
Online-Vortrag und Gespräch mit Prof. Dr. Natan Sznaider, Tel Aviv (auf Deutsch)
Hier der link zur Aufzeichnung des Vortrags:
„Auch stünde es schlimm um Europa, wenn die kulturellen Energien der Juden es verließen.“ Diese Worte hat Walter Benjamin als Zwanzigjähriger 1912 an seinen zionistischen Freund Ludwig Strauss geschrieben, und sie sind auch das zentrale Thema dieses Vortrags. Es geht um Juden und Europa, um eine nicht erwiderte Beziehung, die tragisch endete. Kurz vor seinem Versuch vor den Nazis von Frankreich in die USA zu fliehen, schrieb Benjamin an seinen Freund Stephan Lackner in Paris: „Man fragt sich, ob die Geschichte nicht im Begriff ist, eine geistreiche Synthese von zwei nietzscheanischen Begriffen zu schmieden, nämlich die des guten Europäers und die des letzten Menschen. Das könnte den letzten Europäer ergeben. Wir alle kämpfen darum, nicht zu einem solchen zu werden.“ Am 21. Oktober 1940 schrieb Hannah Arendt an Gershom Scholem in Jerusalem. „Juden sterben in Europa und man verscharrt sie wie Hunde“. Arendt informierte Scholem mit diesen Worten auch über den Selbstmord von Walter Benjamin, der sich einen Monat zuvor in Port Bou das Leben genommen hatte. Er wurde von spanischen Grenzbeamten abgewiesen, die ihn nach Frankreich zurückschicken wollten. Einige Monate später, im Mai 1941, erreichten Hannah Arendt und Heinrich Blücher New York, und zwar auf demselben Wege, auf dem Benjamin vorher gescheitert war. 15 Jahre später, 1956, verließ der jüdische Schriftsteller und Soziologe Albert Memmi Tunesien in Richtung Frankreich. Für ihn gab es als Juden keinen Ort mehr im unabhängigen Tunesien. In diesem Vortrag geht es um jüdische Orte und jüdische Menschen wie Hannah Arendt, Albert Memmi, Walter Benjamin, Arnold Zweig, Moritz Goldstein, Theodor Herzl, Max Nordau, Karl Marx, Bruno Schulz, aber auch alle Unbekannten, die exemplarisch für das „Wir und Europa“ stehen. Es geht sowohl um die Hoffnung als auch um das Ende der europäisch-jüdischen Beziehung.
Natan Sznaider
Natan Sznaider ist Professor für Soziologie am Academic College of Tel-Aviv-Jaffa in Israel. Er forscht und publiziert über soziologische Theorie, Globalisierung und Erinnerungskultur und im Moment zum Verhältnis jüdischer Aufklärung zur Soziologie. In Mannheim geboren, lebt und arbeitet er heute in Tel Aviv-Jaffa. Zu seinen neuesten Veröffentlichungen gehören: Jewish Memory and the Cosmopolitan Order (2011), Memory and Forgetting in the Post-Holocaust Era (2016, mit Alejandro Baer), Gesellschaften in Israel: Eine Einführung in Zehn Bildern (2017), Neuer Antisemitismus? Fortsetzung einer globalen Debatte (2019, als Hg. mit Christian Heilbronn und Doron Rabinovici), Politik des Mitgefühls. Die Vermarktung der Gefühle in der Demokratie (2021).
Europäische Sommeruniversität für jüdische Studien Hohenems
Eine Veranstaltung der Abteilung für Jüdische Geschichte und Kultur der Ludwig-Maximilians-Universität München, des Zentrums für Jüdische Studien der Universität Basel, des Instituts für Judaistik an der Universität Wien, der Professur für Judaistik der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, der Sigi-Feigel-Gastprofessur für Jüdische Studien an der Universität Zürich, des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck und des Jewish Studies Program der Central European University in Budapest/Wien – in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Hohenems.
Bevor irgendjemand von einer politischen europäischen Einigung träumte, haben Juden in der europäischen Diaspora transnationale und transregionale Netzwerke gelebt und eine aktive Rolle im Kulturtransfer gespielt. Mehrsprachigkeit, Heiratsmigration und Mobilität waren selbstverständliche Bedingungen einer protoeuropäischen Lebenswelt, deren Strukturen mit den wechselnden Herrschaftsgrenzen nie übereinstimmten. Jahrhunderte lang war von einer Einheit Europas allenfalls im Zeichen eines christlichen Abendlandes die Rede – bevor Aufklärung und Reformation, Säkularisierung und die Herausbildung der Nationalstaaten auch den europäischen Juden eine neue Rolle in der Gesellschaft zuwiesen.
Jüdische Intellektuelle von Heinrich Heine bis Stefan Zweig, von Joseph Roth bis zu Moritz Julius Bonn haben auf dem Weg zur europäischen Idee Pate gestanden.
Die europäischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts kulminierten in der Massenvernichtung der europäischen Juden. Und doch gehörten auch nach dem Holocaust Juden zu den Wegbereitern der europäischen Einigung, wie Simone Veil, die erste Präsidentin des Europäischen Parlaments.
Heute wird das Projekt Europa von vielen wieder in Frage gestellt. Auf die weltweite Migration und die Entstehung neuer Diaspora-Identitäten antworten europäische Gesellschaften mit wachsendem Nationalismus. Prominente jüdische Akteure werden zu Vorzeige-Europäern, während zugleich Europas Nationalisten den Staat Israel für sich vereinnahmen, als Bollwerk des „christlich-jüdischen Abendlandes“ gegen den „Orient“.
Die 12. Europäische Sommeruniversität für Jüdische Studien Hohenems wird vom 6. bis 11. Juni 2021 – in gewohnt breiter interdisziplinärer Perspektive – den historischen und sozialen, wirtschaftlichen, religiösen und kulturellen Dimensionen der jüdischen Rolle – als Akteure aber auch als Spielfiguren – im Projekt Europa und seiner aktuellen Bedrohung nachgehen.
Mit Natan Sznaider (Tel Aviv), Diana Pinto (Paris), Felicitas Heimann-Jelinek (Wien), Hanan Bordin (Jerusalem/Regensburg), Armin Eidherr (Salzburg), Michael Studemund-Halevy (Hamburg), Andreas Kilcher (Zürich), Kiran Patel (München), Liliana Feierstein (Berlin), Philipp Lenhard (München), Alfred Bodenheimer (Basel), Noam Zadoff (Innsbruck), Michael Miller (Budapest/Wien), Friedrich Battenberg (Darmstadt), Rachel First (München), Erik Petry (Basel), Carsten Wilke (Budapest/Wien), Judith Müller (Basel), Barbara Hände (Basel), Hans-Joachim Hahn (Aachen/Basel), Evita Wiecki (München), Gerhard Langer (Wien) und Daniel Mahla (München.
Informationen und Anmeldungen unter: www.jgk.geschichte.uni-muenchen.de
Teilnahmegebühr für Studierende (inklusive Unterbringung und Frühstück) 250,- €
für Nicht-Studierende 220,- € (ohne Übernachtung)
Die Veranstaltung wird unterstützt durch: Amt der Vorarlberger Landesregierung, Kultur und Wissenschaft – Amt der Stadt Hohenems – Collini Hohenems – Freundeskreis des Lehrstuhls für Jüdische Geschichte und Kultur, München
Eine Veranstaltung des Jüdischen Museums Hohenems und des Bruno Kreisky Forums für Internationalen Dialog, Wien, in der Reihe „Borders. Grenzen und Identitäten“ und im Programm zur Ausstellung „Die letzten Europäer“
Die Idee eines Nachkriegseuropas, das sich auf universelle Werte wie Menschenrechte, Gerechtigkeit und Frieden gründet, trägt den Namen ‚Projekt Europa‘, das „neue Europa“. Aus einer jüdischen Perspektive, wie sie Brian Klug entfaltet, sind Juden als Juden in die Krise dieses Neuen Europa verwoben, die zugleich eine Krise des Judentums ist. Denn das neue Europa wird immer noch von der ‚Judenfrage‘ des alten Europas heimgesucht; und Juden sind es auch. Der allgemeine Sinn dieser giftigen Frage (deren Wurzeln in der Antike liegen) ist der folgende: „Was soll Europa mit seinen Juden tun?“ Mit dem Wechsel von Alt zu Neu sind die Juden vom „Gegenbild“ zum Vorbild geworden: vom inneren Fremden zu „den ersten, den ältesten Europäern“, wie Romano Prodi es als Präsident der Europäischen Kommission schon 2004 behauptete. Der Bindestrich in „jüdisch-christlich“ schreibt das Judentum in das europäische Selbst ein. Zugleich wird Europa in den jüdischen Staat eingeschrieben: „Europa endet in Israel. Östlich von Israel gibt es kein Europa mehr“ (Benjamin Netanjahu). Diese Verflechtung des Neuen Europa und den Juden bedeutet zugleich die Ausgrenzung des Islam (wie auch der Palästinenser). „Oh, was für ein verwickeltes Netz wir weben“ (Walter Scott). Brian Klug plädiert dafür, um der Zukunft willen dieses Netz an den Nähten zu entflechten: Europas jüdische Frage zu enträtseln.
Brian Klug ist Senior Research Fellow in Philosophie an St. Benet’s Hall, Oxford; Mitglied der philosophischen Fakultät der Universität Oxford; Honorary Fellow des Parkes Institute for the Study of Jewish/non-Jewish Relations, Universität Southampton; und Fellow des College of Arts and Sciences, Saint Xavier University, Chicago. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift Patterns of Prejudice und Mitglied der internationalen Beiräte für das Islamophobia Studies Yearbook; ReOrient: The Journal of Critical Muslim Studies; und „Negotiating Jewish Identity: Jüdisches Leben im Norwegen des 21. Jahrhunderts“ (ein Projekt des Norwegischen Zentrums für Studien über den Holocaust und religiöse Minderheiten). Er hat umfangreich über Judentum, Antisemitismus, Islamophobie, Rassismus und verwandte Themen publiziert. Zu seinen Büchern über jüdische Themen gehören: Being Jewish and Doing Justice: Bringing Argument to Life; Offence: The Jewish Case; A Time To Speak Out: Independent Jewish Voices on Israel, Zionism and Jewish Identity (als Mitherausgeber).
Location: Jüdisches Museum Hohenems
Schweizer Straße 5, 6845 Hohenems
Vortrag und Gespräch mit Prof. Dr. Michael Miller, Budapest/Wien (auf Englisch)
Die Veranstaltung findet live im Museum (nur mit Voranmeldung) und online statt.
Hier der Vortrag auf YouTube:
Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi, Gründer der Paneuropa-Union, war eine schillernde Figur: Aristokrat, Kosmopolit und leidenschaftlicher Gegner des Antisemitismus. Die Paneuropa-Union, die ein Europa ohne Grenzen imaginierte, hatte – neben so manchen nach neuer Orientierung suchenden Angehörigen des Adels – zahlreiche Juden unter ihren Mitgliedern, die sich von der Idee eines toleranten, brüderlichen Europas angezogen fühlten. Und dies obwohl sich die Paneuropa-Union als christliche Bewegung verstand. Michael Miller beschäftigt sich in seinem Vortrag mit der Paneuropa-Union der Zwischenkriegszeit, ihrer Anziehungskraft für Juden, ihrer Auseinandersetzung mit der damaligen Judenfrage und ihrer Befürwortung von Pazifismus und transnationalem Ausgleich. Am Ende stand die Paneuropa-Union auf verlorenem Posten – und wurde zugleich zum Wegbereiter der Europäischen Union nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs.
Michael Miller leitet das Nationalismusstudien-Programm an der Central European University in Wien/Budapest und unterrichtet dort auch im Programm Jüdische Studien. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Wirkung der Nationalitätenkonflikte auf die religiöse, kulturelle und politische Entwicklung jüdischer Gemeinden in Osteuropa. Miller ist Gründungsmitglied des International Consortium für Research on Antisemitism and Racism. 2011 erschien sein Buch Rabbis and Revolution: the Jews of Moravia in the Age of Emancipation. Derzeit arbeitet er an einer Geschichte der ungarischen Juden.
Die Teilnahme vor Ort ist nur mit Anmeldung möglich.Eine Registrierung, das Tragen einer FFP2-Maske sowie das Vorweisen eines negativen Corona-Bescheids (getestet, geimpft, genesen) sind erforderlich.
Buchvorstellung mit Hannes Sulzenbacher (Wien)
Salomon Sulzer Saal, Schweizer Straße 21, Hohenems
nur mit Anmeldung!
Online Zugang auf Zoom:
https://us02web.zoom.us/j/89845966753?pwd=TG5MWjhJdXhhZldHTm8vUGNSTThBUT09#success
Waren ihre Vorfahren noch Metzger und Viehhändler in Hohenems gewesen, so erlebte die jüdische Familie Brunner einen steilen sozialen und kulturellen Aufstieg: Anfang des 19. Jahrhunderts verließ fast eine ganze Generation Vorarlberg, um woanders ihr Glück zu suchen. Ihr Ziel war die österreichische Hafenstadt Triest, deren rasante Entwicklung als habsburgische Mittelmeermetropole auch den Brunners eine Glanzzeit bescherte. Aus Wirtschaftsmigranten wurden Wirtschaftsmagnaten, aus Großhändlern schließlich Großbürger. Die Geschichte weiter Teile Europas spiegelt sich in einer Familie, die bald über weite Teile Europas verstreut lebte und dennoch miteinander und mit Hohenems in engem Kontakt blieb. Mit der Entwicklung Europas zu einem Kontinent des Nationalismus und gegenseitigen Hasses, mit den Verheerungen zweier Weltkriege und der Vertreibung und Vernichtung der europäischen Juden endet auch die Hochblüte der Familie Brunner. Teile der Familie werden in alle Welt zerstreut. Noch immer aber treffen sich Angehörige der Familie regelmäßig, irgendwo auf dem Globus, oder in Hohenems.
Ausgangspunkt für dieses Buch ist die Ausstellung „Die letzten Europäer. Jüdische Perspektiven auf die Krisen einer Idee“ im Jüdischen Museum Hohenems – und eine umfangreiche Dauerleihgabe an das Museum: der Nachlass von Carlo Alberto Brunner, bestehend aus Briefen und Dokumenten, Memorabilia und Alltagsgegenständen vieler Generationen der Familie Brunner. Sie ermöglichen einen Blick auf 300 Jahre jüdischer Familiengeschichte und auf ein europäisches Zeitalter, das in Krieg und Zerstörung endete.
Hannes Sulzenbacher, geboren 1968 in Innsbruck, ist Co-Leiter von QWIEN – Zentrum für queere Geschichte (Wien) und freier Ausstellungskurator. Seit 2014 ist er Leiter des wissenschaftlich-kuratorischen Teams der Neuaufstellung der österreichischen Ausstellung im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau.
Das Buch: Hannes Sulzenbacher: Die Familie Brunner. Eine europäisch-jüdische Geschichte. Hohenems-Triest-Wien. 236 Seiten, 95 Abbildungen, 17 x 24 cm, 19,80 €, Hohenems: Bucher Verlag, 2021, ISBN: 978-3-99018-573-5
Was war das „Projekt Europa“ und was ist daraus geworden? Und was wird aus ihm werden? Ist die Europäische Gemeinschaft in Zeiten beunruhigender globaler Herausforderungen – und nicht nur im Zeichen der Corona-Pandemie – noch weiter auseinander statt näher zusammengerückt? Werden nationale Interessen immer mehr gegen europäische Lösungen ausgespielt?
Vor dem Hintergrund dieser Fragen blickt das Jüdische Museum Hohenems auf jüdische Individuen, die angesichts der Zerstörungen Europas und der versuchten Vernichtung der europäischen Juden im 20. Jahrhundert nationale und kulturelle Grenzen überschritten, die universelle Geltung von Menschenrechten erneut einforderten und vehement einen europäischen Traum verfolgten. Anhand ihres Engagements für ein geeintes und friedliches Europa erkundet die Ausstellung gleichzeitig dessen neuerliche Bedrohung.
Auftakt für diesen Blick auf europäische Utopien und Ernüchterungen bildet das Eingedenken der Ohnmacht, ein Rückblick auf die Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts, auf Kriege, Völkermorde und Bürgerkriege in Europa und im Zeichen des europäischen Kolonialismus.
Nicht nur angesichts der schier unvorstellbaren Opfer, welche die entgrenzte Gewalt der „zivilisierten“ Gesellschaften Europas forderte, verstand sich das europäische Projekt auch als inklusives Friedensprojekt. Heute erscheint die EU zusehends als defensives Bündnis zur Wahrung von Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen. Wird das Projekt Europa daran scheitern?
Anmeldung erforderlich unter:
T +43(0)5576 73989 | E-Mail: office@jm-hohenems.at
Bei starker Buchung wird die Führung zweimal hintereinander durchgeführt.
Online-Vortrag und Gespräch mit Dr. Jens Hacke (Hamburg) Hier die Aufzeichnung des Vortrags:
In Hohenems habe er als Kind erstmals „zollfeindliche Luft geatmet“, so schrieb der bedeutende Nationalökonom, Kritiker des Kolonialismus und Kämpfer für eine plurale Demokratie in seiner Autobiographie „So macht man Geschichte“. In der Sommerfrische im Haus seines Großvaters Marco Brunner im Hohenemser Judenviertel lernte der geborene Frankfurter auch einen antiautoritären Umgang mit
Moritz Julius Bonn, Bundesarchiv
Grenzen kennen. Bonn war ein herausragender liberaler Intellektueller, der Kosmopolitismus, pragmatische Vernunft und Gerechtigkeitssinn verkörperte. 1933 verjagten ihn die Nazis aus Berlin ins Exil nach England, von wo er in den 1950er Jahren den Verkauf des Brunner Hauses in Hohenems organisierte.
Jens Hacke, Politikwissenschaftler und Autor, hat über Philosophie der Bürgerlichkeit promoviert und beschäftigt sich – so wie schon vormals Moritz Julius Bonn – mit der Existenzkrise der Demokratie und des Liberalismus im 20. Jahrhundert. Er hat, als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung und in verschiedenen Gastprofessuren entscheidend zur Wiederentdeckung Bonns beigetragen.
Eine Veranstaltung im Begleitprogramm zur Ausstellung „Die letzten Europäer“
Kurator Hannes Sulzenbacher im online-Gespräch mit Hanno Loewy. Über den Chat haben Sie die Möglichkeit, Fragen zu stellen und sich an der Diskussion zu beteiligen.
Zugang zum Zoom Webinar: https://us02web.zoom.us/j/88312532982?pwd=NS9kTXF4VG1LbEZ0a3VPc3liZS9Odz09#success
Foto: Dietmar Walser
75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist Europa von einer Wiederkehr des Nationalismus bedroht. Der Europäische Traum des „Nie wieder“ wird von Vielen in Frage gestellt. Das Jüdische Museum blickt noch einmal auf die „ersten Europäer“, auf jüdische Familien, deren Existenz davon geprägt war, nationale und kulturelle Grenzen zu überschreiten und europäische Ideen zu kommunizieren. Die Hohenemser Familie Brunner wanderte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Triest aus, um an der rasanten Entwicklung der habsburgischen Mittelmeermetropole teilzunehmen. Ihre Familiensaga wird zum Ausgangspunkt einer offenen Debatte über die Zukunft Europas.
Hannes Sulzenbacher, geboren 1968 in Innsbruck, ist Co-Leiter von QWIEN – Zentrum für queere Geschichte (Wien) und freier Ausstellungskurator. Seit 2014 ist er Leiter des wissenschaftlich-kuratorischen Teams der Neuaufstellung der österreichischen Ausstellung im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau.
17.00 Uhr: Evangelischer Friedhof Feldkirch, Wichnergasse 24 Enthüllung der Gedenktafel für Hilda Monte Kurze Ansprachen von: Margit Leuthold, Pfarrerin der ev. Gemeinde Feldkirch Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museums Hohenems Thomas Hopfner, SPÖ Vorarlberg
18.00 Uhr: Arbeiterkammer Feldkirch, Widnau 2-4 „Has the world become too small?”. Hilda Monte im Widerstand gegen den NS und ihr Kampf für ein vereinigtes sozialistisches Europa Es sprechen: Prof. Dr. Andreas Wilkens (Paris/Metz): Aus dem Widerstand zur Einheit Europas. Hilda Montes Überlegungen zur Nachkriegszeit Tobias Reinhard (Hohenems): Hilda Monte, der Arbeiterwiderstand und ihre letzte Mission in Vorarlberg
Wenige Tage vor dem Kriegsende wurde die Widerstandskämpferin und Schriftstellerin Hilda Monte am 17. April 1945 in Feldkirch an der Grenze zu Liechtenstein erschossen. Ihre letzte Ruhestätte fand die jüdische Sozialistin auf dem evangelischen Friedhof. 1914 in Wien als Hilde Meisel geboren und in Berlin aufgewachsen hatte sie sich schon früh dem Internationalen Sozialistischen Kampfbund angeschlossen. Nach 1933 ging sie nach Paris, dann nach London ins Exil, unterstützte als Kurierin den Arbeiterwiderstand gegen den Nationalsozialismus, schrieb Bücher über den Kampf gegen Hitler und die zukünftige Einheit Europas – und nahm im April 1945 eine Mission nach Vorarlberg an, um die Perspektiven einer demokratischen Entwicklung Vorarlbergs und Österreichs nach der Niederlage des NS-Staates zu sondieren. Hilda Monte war von Beginn an geprägt von der internationalistischen Ausrichtung ihrer politischen Gruppe, dem „Internationalen Sozialistischen Kampfbund“ (ISK). Stärker als andere entwickelt sie mit der Zeit eine genuin „europäische“ Überzeugung. Begründung und Konzeption einer künftigen europäischen „Föderation“ legte sie in ihrem Buch „The Unity of Europe“ von Oktober 1943 dar, bis hin zur Skizzierung europäischer Institutionen. Ihre Forderung lautete, das „alte Spiel der Souveränität“ der Nationen zu beenden und ein sozialistisches Europa zu schaffen, als revolutionäre Kraft in einer globalisierten Welt.
Eine gemeinsame Veranstaltung von: Arbeitsgemeinschaft für Christentum und Sozialdemokratie Vorarlberg; erinnern.at; Ev. Kirche Feldkirch; Johann-August-Malin-Gesellschaft; Jüdisches Museum Hohenems; Renner-Institut Vorarlberg; Bund Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen Vorarlberg; SPÖ-Vorarlberg; Stadt Feldkirch
Online-Vortrag und Gespräch mit Dr. Diana Pinto, Paris (auf Englisch)
Mitte der 1990er Jahre prägte Diana Pinto den Begriff „Jewish Space“, um eine der Besonderheiten der jüdischen Präsenz/Abwesenheit, der fortwährenden Kreativität und der Erinnerung in einem sich gerade rapide entwickelnden europäischen Umfeld zu definieren. Nach dem Fall der Berliner Mauer erlaubte ein neuer Hauch von demokratischem Pluralismus den Juden auf dem ganzen Kontinent, sich weit über ihre offiziellen jüdischen Vertretungsinstitutionen hinaus zu definieren. „Jüdische Räume“ entstanden dort, wo sich jüdische Themen, Ideen und Kreativität, Leben, Traditionen und Geschichte mit der Gesellschaft überschnitten, in einem diasporischen Umfeld, in dem – anders als in Israel oder den Vereinigten Staaten – auch Nichtjuden integrale Akteure dieser Räume waren. Zugleich sind in den vergangenen dreißig Jahren die Zweifel an einer jüdischen Zukunft in den ehemaligen Ländern des Holocaust nie verflogen. Sie haben sich mit der Rückkehr des Antisemitismus und der viel publik gemachten Abwanderung vieler Juden (vor allem in Frankreich) nach Israel sogar noch verstärkt. Für viele war Europa einst ein Kontinent des jüdischen Lebens, ist es aber nicht mehr. Diana Pinto kontert diese Interpretation, indem sie erklärt, warum sich die „jüdischen Räume“ in ganz Europa weiter ausdehnen. Die symbolische Bedeutung dieser „jüdischen Räume“ hat – angesichts des wachsenden Populismus und des rechten Revisionismus, der die gesamte westliche Welt (einschließlich Israel und der USA) infiziert hat – eine neue Bedeutung erlangt. Im Kampf zwischen liberaler Demokratie und illiberalem Populismus spielen solche Räume eine immer wichtigere Rolle bei der Verankerung pluralistischer Reflexe und universeller Werte auf dem ganzen Kontinent.
Diana Pinto lebt und arbeitet in Paris als Schriftstellerin und intellektuelle Historikerin. Sie ist Italienerin, Französin und Amerikanerin und studierte an der Harvard Universität (B.A. und Ph.D.). In den 1990er Jahren war sie Chefredakteurin von Belvédère, einer französischen paneuropäischen Zeitschrift, und anschließend Beraterin des Politischen Direktoriums des Europarates für dessen zivilgesellschaftliche Programme in Osteuropa und Russland. Anschließend leitete sie als Senior Research Fellow am Institute for Jewish Policy Research, London, das Ford Foundation’s Voices for the Res Publica-Programm. Sie hat vielfältig über europäische und jüdische Themen geschrieben. Ihre letzte Buchveröffentlichung als Autorin war Israel has Moved (dt. Ausgabe: Israel ist umgezogen, 2013).
Online-Vortrag und Gespräch mit Dr. René Moehrle (Trier)
Hier der link zur Aufzeichnung der Veranstaltung:
Das Triester Judentum war seit dem 13. Jahrhundert fester Bestandteil der nordadriatischen Hafenstadt. Doch Judenfeindschaft gehörte in den über 500 Jahren Habsburgerherrschaft immer wieder zum Alltag.
In Italien, dem Triest nach dem Ersten Weltkrieg zufiel, waren Juden emanzipiert. In Triest hatten sie, wie das Beispiel der Familie Brunner zeigt, auch im Faschismus hohe wirtschaftliche Positionen inne, machten aber auch als Funktionäre faschistischer Organisationen politische Karriere. Dennoch avancierte die Stadt mit der drittgrößten jüdischen Gemeinde Italiens zum Versuchslabor eines staatlichen Antisemitismus, den Mussolini 1938 offiziell von Triest aus ankündigte. Damit begann auch in Italien die Verdrängung von Juden aus Politik und Wirtschaft. Mit der deutschen Besetzung Italiens verschärfte sich die Situation auch der italienischen Juden dramatisch. Friedrich Rainer regierte von 1943 bis Kriegsende als Oberster Kommissar die „Operationszone Adriatisches Küstenland“, deren Hauptstadt Triest war. Hier errichtete Odilo Globocnik in einer ehemaligen Reismühle das Konzentrationslager Risiera di San Sabba, das einzige KZ der südlichen Hemisphäre, das mit einem Krematorium betrieben wurde, um überwiegend ermordete Partisanen und Geiseln aber auch Juden und Regimegegner zu beseitigen.
René Moehrle ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Trier, wo er an seiner Habilitation zu deutschen Journalisten arbeitet, die im Nationalsozialismus eine erste Karriere erlebten und nach 1945 Führungsrollen in den westdeutschen Leitmedien Süddeutsche Zeitung, Zeit, Spiegel, Welt, Stern und FAZ besetzten. Von 2016-2017 war er mit diesem Thema Fellow an der Martin Buber Society der Hebrew University in Jerusalem. Seine Dissertation erschien unter dem Titel Judenverfolgung in Triest während Faschismus und Nationalsozialismus 1922-1945 (2014).
Eine Veranstaltung im Begleitprogramm zur Ausstellung „Die letzten Europäer“
Vortrag und Gespräch mit Prof. Dr. Rainer Münz, Wien
Hier der link zur Aufzeichnung des Vortrags:
Längerfristige Arbeitsmigration hat in Europa genauso Tradition wie kurzfristige oder periodische Wanderarbeit. Bei der Arbeitsmigration dominierte allerdings bis in die 1950er Jahre die Auswanderung nach Übersee. Wanderarbeit fand hingegen kleinräumiger innerhalb Europas statt und wurde lange Zeit von den saisonalen Erfordernissen der Land- und Forstwirtschaft geprägt. Erst nach 1950 kam es zuerst im Nordwesten und später auch im Süden Europas zur Einwanderung von Arbeitskräften: teils aus anderen Staaten Europas, teils auch aus anderen Weltregionen. Im letzten Jahrzehnt gab es zwar eine Wanderung von Arbeitskräften innerhalb der EU, aber nur wenig Rekrutierung von außerhalb. In der politischen Wahrnehmung – und in manchen Jahren auch quantitativ – dominierte der Zustrom von Flüchtlingen und Asylsuchenden. Während der CoVid-Krise und den seit März 2020 periodisch verfügten Grenzschließungen wurde zweierlei deutlich: Einerseits das Ausmaß, in dem Ökonomien und Gesellschaften Europas durch traditionelle und vor allem durch moderne Formen der Wanderarbeit miteinander verbunden sind; andererseits unter welchen oft prekären Bedingungen ein Teil der „Arbeitsnomaden“ ohne festen Wohnsitz am Arbeitsort leben und arbeiten müssen. Daran wird sich auch nach Ende der Krise wenig ändern. Zugleich ist angesichts hoher Arbeitslosigkeit absehbar, dass es in den kommenden Jahren weniger Bedarf an der Zuwanderung von Arbeitskräften geben wird. Das Interesse, in Europa Arbeit und Einkommen zu finden, wird hingegen kaum kleiner werden. Zu fragen ist, wie wir mit diesem Spannungsfeld umgehen wollen.
Rainer Münz ist ein international bekannter Migrations- und Sozialforscher. Von 2015 bis 2019 war er Berater von EU-Kommissionspräsident J.C Juncker. Zwischen 2005 und 2015 leitete er die Forschungsabteilung der Erste Bank. Davor war er als Hochschullehrer an mehreren Universitäten tätig. Seit 2020 unterrichtet er als Gastprofessor an der Central European University (Budapest-Wien) sowie an der Diplomatischen Akademie (Wien).
Eine Veranstaltung im Begleitprogramm zur Ausstellung „Die letzten Europäer“
Was war das „Projekt Europa“ und was ist daraus geworden? Und was wird aus ihm werden? Ist die Europäische Gemeinschaft in Zeiten beunruhigender globaler Herausforderungen – und nicht nur im Zeichen der Corona-Pandemie – noch weiter auseinander statt näher zusammengerückt? Werden nationale Interessen immer mehr gegen europäische Lösungen ausgespielt?
Vor dem Hintergrund dieser Fragen blickt das Jüdische Museum Hohenems auf jüdische Individuen, die angesichts der Zerstörungen Europas und der versuchten Vernichtung der europäischen Juden im 20. Jahrhundert nationale und kulturelle Grenzen überschritten, die universelle Geltung von Menschenrechten erneut einforderten und vehement einen europäischen Traum verfolgten. Anhand ihres Engagements für ein geeintes und friedliches Europa erkundet die Ausstellung gleichzeitig dessen neuerliche Bedrohung.
Auftakt für diesen Blick auf europäische Utopien und Ernüchterungen bildet das Eingedenken der Ohnmacht, ein Rückblick auf die Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts, auf Kriege, Völkermorde und Bürgerkriege in Europa und im Zeichen des europäischen Kolonialismus.
Nicht nur angesichts der schier unvorstellbaren Opfer, welche die entgrenzte Gewalt der „zivilisierten“ Gesellschaften Europas forderte, verstand sich das europäische Projekt auch als inklusives Friedensprojekt. Heute erscheint die EU zusehends als defensives Bündnis zur Wahrung von Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen. Wird das Projekt Europa daran scheitern?
Anmeldung erforderlich unter:
T +43(0)5576 73989 | E-Mail: office@jm-hohenems.at
Bei starker Buchung wird die Führung zweimal hintereinander durchgeführt.